1871 -
Einbeck
: Ehlers
- Autor: Brakenhoff, Heinrich Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 13
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
religiöser und tugendhafter Gesinnungen. 55
Mutter dieses Pagen war eine Wittwe, die sich kümmer-
lich ernähren musste. Um diese arme Mutter zu unter-
stützen, wachte der gute Sohn oft für andere Pagen des
Nachts beim Könige, und schickte hernach seiner Mutter
das Geld, daö er dafür bekam. Einmal, da der König
nicht schlafen konnte und ein Buch aus einem andern Zim-
mer haben wollte, klingelte er dem Pagen, der die Wache
hatte/ Er klingelte verschiedene Male, aber dieser kam
nicht. Endlich steht der König auf, und geht in das Vor-
zimmer, um zu sehen, ob hier kein Page sei. Hier findet
er denselben, aber schlafend, am Tische sitzen, und einen
Brief vor ihm liegen, über dem er eingeschlafen war. Der
König nimmt den Brief und liest den schönen Anfang:
„Meine beste, geliebteste Mutter!
„Jetzt ist es nun schon die dritte Nacht, dass ich
für Geld die Wache habe. Beinahe kann ich es nicht
mehr aushalten. Indessen freue ich mich, dass ich nun
wieder 10 Thaler für Sie gespart imb verdient habe, und
diese schicke ich Ihnen hierbei." —
Der König, gerührt über das gute Herz dieses edlen
Jünglings, lässt ihn schlafen; legt seinen Brief wieder hin,
geht in sein Zimmer, holt zwei Rollen mit Dukaten, steckt
dem lieben Jünglinge davon in jede Tasche eine und legt
sich wieder zu Bette. — Als der Page aufwachte und
die schweren Geldrollen in seinen Taschen fand, o, wie er-
schrak er da; indem er nichts anders vermuthen konnte,
als, dass ihn der König schlafen gefunden, und das Geld
ihm in die Taschen gesteckt habe. Sobald er also den Kö-
nig des Morgens sahe, bat er ihn demüthigst um Verge-
bung, dass er geschlafen habe, und dankte ihm für das
anädige Geschenk. Der gute König lobte seine kindliche
Liebe und Dankbarkeit, welche er seiner Mutter bezeige.
Er ernannte ihn gleich nachher zum Officier, und schenkte
ihm noch eine Summe Geldes, um sich Alles anschaffen zu
können, was er zu seiner neuen Stelle brauchte.
Liebes Kind!
pflege deines Vaters und dei-