1877 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Haesters, Albert
- Auflagennummer (WdK): 90
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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gesetzt und hatte großes Wohlgefallen an ihnen. Oft setzte er sich am
Ufer hin und brockte Semmelkrumen ins Wasser, und da kamen
denn die niedlichen Fischchen und ließen sichs wohl schmecken. Dann
rief er ihnen beständig zu: „Fischchen, Fischchen! nehmt euch ja in
Acht vor zweierlei, wenn ihr immer so glücklich leben wollt, als ihr
jetzt lebet. Geht nie durchs Gitter in den großen Teich, der neben
diesem kleinen ist; auch schwimmt nicht oben auf dem Wasier, wenn
ich nicht bei euch bin."
Aber die Fischchen verstanden ihn nicht. Da dachte der gute Mann:
„Ich will's ihnen wohl verständlich machen!" und stellte sich neben
das Gitter. Wenn dann eins von ihnen kam und durchschwimmen
wollte, so plätscherte er mit einem Stückchen im Wasier, daß das
Fischchen davor erschrak und zurückschwamm. Eben dasselbe that er
auch, wenn eins von ihnen oben aufs Wasier kam, damit es wieder
hinunter auf den Grund ginge. Nun dachte er, werden sie mich wohl
verstanden haben, und ging nach Hause.
Da kamen die drei niedlichen Goldfischchen zusammen und schüt-
telten die Köpfchen und konnten nicht begreifen, warum der gute Mann
nicht haben wollte, daß sie oben auf dem Wasier und durchs Gitter
in den großen Teich schwimmen sollten.
„Geht er doch selbst da oben," sagte das eine, „warum sollten
wir nicht auch ein bischen höher kommen dürfen?"
„Und warum sollten wir eingesperrt sein?" sagte das zweite.
„Was kann es uns schaden, wenn wir zuweilen in den großen Teich
gehen?"
„Es ist gewiß ein harter Mann," sagte das erste wieder, „der
uns nicht lieb hat und nicht gern will, daß wir uns freuen sollen."
„Ich werde mich nicht an ihn kehren," setzte das zweite hinzu.
„Ich will sogleich einen kleinen Streifzug in den großen Teich vor-
nehmen."
„Und ich," rief das erste wieder, „will unterdeß ein wenig oben
auf dem Wasser in der Sonne spielen."
Das dritte Goldfischchen allein war klug genug, zu denken: Der
gute Mann muß doch wohl seine Ursache haben, warum er uns das
verboten hat. Daß er uns liebt und uns gern Freude gönnt, ist
gewiß. Warum käme er sonst so oft und gäbe uns Semmelkrümchen
und freute sich so, wenn wir sie aufesien? Nein er ist gewiß nicht
hart und ich will thun, was er haben will, ungeachtet ich nicht weiß,
warum er es so will. — Das gute Fischchen blieb also auf dem
Grunde.
Die anderen aber thaten, was sie gesagt hatten. Das eine schwamm
durchs Gitter in den großen Teich, und das andere spielte oben auf
dem Wasier im Sonnenschein und beide lachten ihren Bruder aus,
daß er es nicht eben so gut haben wollte.
Aber was geschah? Das erste war kaum in dem großen- Teiche
angekommen, so sprang ein Hecht auf dasselbe los und verschlang es.