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1895 -
München
: Oldenbourg
- Auflagennummer (WdK): 22
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
76. Die drei Söhne eines Bettlers. 93
sondern ließ sich das Kapital durch die daranfgeschlagenen
Zinsen mehren.
Er ging wieder betteln von Haus zu Haus, und man
gab dem alten, lahmen Hansjörg wohl gern, so lange er-
fordern konnte.
Aber endlich konnte er nicht mehr fordern: denn er
war krank und war schon zweiundscchzig Jahre alt. Die
Leute, die ihn kannten, schickten ihm wohl von Zeit zu Zeit
einige Lebensmittel. Doch die Gemeinde, in welcher er seit
vierundzwanzig Jahren gewohnt hatte, verstieß ihn unbarm-
herzig, weil er ein Fremder war. „Er soll uns nicht zur
Last fallen," sagten die Bauern, „in vierzehn Tagen muß
er zum Dorfe hinaus!"
„Ich weiß nirgends hin," antwortete Hansjörg; „doch
zur Last will ich keinem fallen. Jetzt ist die Not am
höchsten."
Darauf schrieb er an den Kaufmann in der Stadt
folgenden Brief: „Sendet mir dreihundert Gulden von
meinem Kapitale; denn ich bin alt und schwach, und von
meinen Kindern habe ich schon seit vierzehn Jahren nichts
vernommen. Sie leben nicht mehr; ich folge ihnen bald in
die Ewigkeit."
„Ihr seid reich genug!" antwortete der Kaufmann;
„denn Euer Geld hat sich über zweitausend Gulden nach
und nach vermehrt. Hiermit sende ich dreihundert Gulden."
Wie das Geld kam, rissen alle Bauern im Dorfe die
Augen auf und thaten wieder freundlich mit Hansjörg, und
jeder sagte: „Der lahme Mensch kann hexen!"
Doch Hansjörg war bei seinen dreihundert Gulden
nicht froh; er sehnte sich zu sterben, um bald wieder zu
seinen drei Söhnen zu kommen, die er für gewiß tot hielt
und längst im Himmel vermutete. Er war oft sehr nieder-
geschlagen.
„Ich werde allein sterben," sprach er, „und an meinem
Totenbette wird kein mitleidiges Auge weinen, und meine