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1895 -
München
: Oldenbourg
- Auflagennummer (WdK): 22
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
142
105. Der Vögel Arbeit.
jedes Vogelnest ein Bild süßen Naturfriedens und des
seligsten häuslichen Glückes, wie man es wahrlich nicht
schöner malen könnte.
Die elterliche Liebe und Fürsorge der Vögel wächst aber
noch von Tag zu Tag; denn immer näher rückt jener Augen-
blick heran, wo die Eierschalen zerbrechen und die jungen
Vöglein ausschlüpfen werden. Das Weibchen kann diese
selige Zeit kaum erwarten. Sobald es die ersten Pulsschlüge
aus den Eiern fühlt, wird es noch eifriger im Brüten und
noch besorgter, daß ja alles ohne Schaden verlaufe. Endlich
pocht es im dunklen Innern der Eier, anfangs ganz leise,
später aber immer stärker und stärker. Höher pocht nun
auch das Herz der brütenden Mutter. Nur noch wenige
Augenblicke, und siehe — die allerliebsten jungen Vöglein
liegen im Neste. Unbeschreiblich groß ist jetzt die Freude
der hochbeglückten Mutter. Das Männchen wird sogleich
herbeigerufen; es sieht seine Lieblinge und freut sich auch.
Freilich sind die kleinen noch recht zarte und hilflose Ge-
schöpschen, die elend verkommen müßten, wenn sie auf sich
selbst angewiesen wären. Der weise Schöpfer hat ihnen
aber gar gute Eltern zur Seite gestellt, welche sie auf das
sorgfältigste hegen und pflegen und es ihnen gewiß an nichts
mangeln lassen. Unablässig sind von jetzt an Vater und
Mutter mit der Fütterung ihrer hungrigen Kinderchen be-
schäftigt. Kaum ist das eine oder das andere mit einem
saftigen Bissen beim Neste angelangt, so fliegt es schon
wieder fort, um neue Speise für die kleinen Schreier zu
holen. Die Mutter muß außerdem bei Kälte und Regen
ihre zarten Jungen unter den Flügeln bergen und wärmen,
während der Vater auf einem nahen Zweige sitzt und wacht,
ob nicht seinen Lieben irgend welche Gefahr drohe. Wer
könnte dieses innige Familienleben der Vögel betrachten,
ohne sich nicht von ganzem Herzen zu freuen!
Nach etlichen Wochen sind endlich die jungen Vöglein
flügge, d. h. die Federn sind ihnen so weit gewachsen, daß