Anfrage in Hauptansicht öffnen
Dokumente für Auswahl
Sortiert nach:
Relevanz zur Anfrage
1895 -
München
: Oldenbourg
- Auflagennummer (WdK): 22
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
314
210. Familie und Volk.
für die Wartung der Kinder und die Besorgung des Haus-
wesens thätig! Wie angenehm ist es uns, draußen in der Fremde
auf einmal einen Oheim oder Vetter zu finden! Alles dieses
und vieles Ähnliche bedarf keines weiteren Ausmalens. — Denn
alle menschliche Geselligkeit beruhte auf dem Bande der Familie,
dem deshalb auch die Kirche eine besondere Heiligkeit beilegt.
Der Staat selbst findet seine beste Stütze in der Familie und
nimmt sich ihrer auch nicht weniger an wie die Kirche, so z. B.
durch die Gesetze über Ehe und Erbrecht und durch die Für-
sorge für Witwen und Waisen.
Ein Staat besteht aus den Bürgern, die in dem Staate
wohnen. Die Bürger aber sind samt und sonders aus Familien
hervorgegangen, und die meisten haben selbst wieder Familien.
So bilden diese also recht eigentlich die Nahrung des Staates,
und es ist die Familie nicht nur für unser Privatleben und für
unsere Herzensbedürfnisse eine heilige Einrichtung, sondern sie
ist eine Grundbedingung auch für das gesellschaftliche Leben der
Menschen überhaupt.
2. Der Zusammenhang, in welchem die Glieder einer Familie
zu einander stehen, ist ein durchaus natürlicher. Diesem gegen-
über könnte das Verhältnis des Einzelnen zum Staate nun als
ein künstliches erscheinen. Dies wäre auch richtig, wenn unsere
Mitbürger weiter nichts mit uns gemein hätten, als daß sie
zufällig dasselbe Land bewohnten und nach denselben Gesetzen
regiert würden. Und doch wäre schon diese Gemeinsamkeit
Veranlassung genug zu einer innigern Beziehung. Nähert man
sich doch auch dem Nachbarn freundlich, selbst wenn man keinen
besonderen Grund dafür hat! Aber es sind noch andere Bande,
welche uns an den Staat fesseln.
Wie wohl wird einem zu mute, wenn man draußen in
fremdem Lande unter andersredenden Menschen plötzlich einen
Landsmann findet! Wie vertraut klingt da die heimische Sprache!
Wie verwandt dünkt uns der fremdeste Mensch, dem wir in den
Straßen von London oder gar irgendwo in Amerika oder Afrika
begegnen, wenn er nur deutsch spricht! Und das kommt nicht
allein daher, daß wir ihn besser verstehen; denn wir haben
jenes Gefühl, auch wenn wir der Sprache des fremden Landes
mächtig sind. Der Grund ist der: jenes ist unsere Sprache,