1895 -
München
: Oldenbourg
- Auflagennummer (WdK): 22
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
213. Von den Schildbürgern.
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Freiheit und Gleichheit! hört man schallen;
Der ruh’ge Bürger greift zur Wehr,
Die Strassen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden zieh’n umher.
Da werden Weiber zu Hyänen
Und treiben mit Entsetzen Scherz;
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen
Zerreifsen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist’s, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn.
Weh’ denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leih’n!
Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städl’ und Länder ein. (Schiller.)
213. Won den Schildbürgern.
1. Einst verbreitete sich im Lande die Sage von einem
großen Kriege. Die Schildbürger wurden besorgt, Hab und
Gut möchte ihnen von den Feinden weggeführt werden. Be-
sonders angst war ihnen für eine Glocke, die auf dem Rathause
hing. Auf diese, dachten sie, könnte das Kriegsvolk ein beson-
deres Auge haben und Flinten daraus gießen wollen. So
wurden sie denn nach langen Ratschlägen eins, die Glocke
bis zum Ende des Krieges in den See zu versenken und sie,
wenn der Feind abgezogen wäre, wieder herauszuziehen und
aufzuhängen. Sie bestiegen also ein Schiff und fuhren mit der
Glocke auf den See. Als sie aber dieselbe hineinwerfen wollten,
da fiel es einem unter ihnen ein, wie sie den Ort denn auch
wiederfinden könnten, wo sie die Glocke ausgeworfen hätten.
„Da laß dir keine grauen Haare wachsen," sagte der Schultheiß
und schnitt mit dem Messer eine Kerbe in das Schiff an den
Ort, wo sie die Glocke in den See versenkten. „Hier, bei dem