1895 -
München
: Oldenbourg
- Auflagennummer (WdK): 22
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
66. Die lange Nacht in Hammerfest.
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kreise setzt die Natur dadurch dem ruhelose» Menschengeschlecht
einen Markstein seiner Thätigkeit. Das Wasser ist öde, die
Fische haben Frieden, der schmutzige Seelappe und der nor-
dische Fischer liegen in Erdhütten am qualmigen Feuer und
warten dort im trägen Winterschlafe, bis der neue Tag er-
scheint. Die Kaufleute in Hammerfest bringen ihre Bücher
in Ordnung, und dann sitzen sie wohl am Spieltische Tag
oder Nacht, halten Bälle und Schmausereien, spielen sogar
Komödie und sehnen sich endlich unruhig nach der Zeit, wo
der Lichtstreif im Osten hervorbricht. In Hammerfest wohnt
außer den Kaufleuten kein anderer gebildeter Mensch, als
ein Pastor und ein Arzt.
Die Zeit der langen Nacht ist doch nicht ganz so, wie
wir sie uns vorstellen. Die Sonne geht freilich acht Wochen
unter den Horizont, und vier Wochen lang, von Mitte
Dezember bis Mitte Januar, ist tiefe Finsternis, so daß
beständig Licht gebrannt werden muß. Indes ist sie doch
nicht so schwarz, daß nicht bei hellem Wetter zur Zeit der
Mittagsstunde eine Art Dämmerung einträte, bei der man
am Fenster eine halbe Stunde oder eine ganze lesen könnte.
Die Sterne stehen dabei glänzend hell am Himmel; Nord-
lichter sind auch hier seltener als mehr südlich. Ist aber
trübes Wetter, so herrscht die finstere, ununterbrochene Nacht.
Mitte Januar wird die Dämmerung leichter, und ist der
Tag erst einmal angebrochen, so wächst er auch rasch. Nun
gleicht die Natur den Unterschied aus, und im Juni und
Juli beschreibt die Sonne Kreise um den Himmel, ohne sich
jemals vom Horizonte zu entfernen. Der ganze Unterschied
zwischen Mittag und Mitternacht ist dann, daß die Strahlen
etwas bleicher und matter werden, ohne daß sie aufhören,
die belebende Wärme zu verlieren. Es ist sehr eigentümlich,
daß, so lange diese tageshelle und sonnenvolle Nacht dauert,
der Wind ganz schweigt, und eine durch nichts gestörte Ruhe
in der Natur herrscht, als wolle diese gleichsam dadurch die
Zeit des Schlafes ankündigen. Mit dem Morgen erhebt