1910 -
Leutkirch
: Bernklau
- Autor: ,
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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14. Die wnrttembergische Verfassung.
Das Grundgesetz, auf dem unser ganzes Staatslvesen
ruht wie das Haus auf dem Baugrund, ist die Verfassung. Sie ist
gleichsam ein zwischen Fürst und Volk abgeschlossener Vertrag, durch
den einerseits die Rechte und Pflichten des Herrschers, anderseits
die Rechte und Pflichten des Volkes festgestellt sind. König Wil-
helm!. war es, der im Jahre 1819 seinem Lande die in ihren Grund-
zügen heute noch geltende Verfassung gab. Im Jahre 1906 wurde
in verschiedenen Punkten eine Änderung durch die Verfassungs-
revision vorgenommen. Die wichtigsten Bestimmungen der Ver-
fassung sind folgende:
Vom König. Das Haupt des Staates ist der König. Er ist be-
rufen, das Land zu regieren. In Ausübung seiner Rechte ist der König
an die Verfassung gebunden. Beim Antritt der Regierung legt der
König das feierliche Versprechen ab, an den Bestimmungen der Ver-
fassung stets festzuhalten. Erst dann wird ihm von den Untertanen
der Eid der Treue und des Gehorsams, Huldigungseid genannt, ge-
leistet. Der König beruft, eröffnet, vertagt und schließt die Stände-
versammlung; auch kann er sie auflösen. Der König ernennt die
Minister und die Mitglieder des Geheimen Rats sowie die Staats-
beamten. Das schönste Recht des Königs ist das Begnadigungsrecht,
d. i. das Recht, eine vom Gericht erkannte Strafe aufzuheben oder
zu mildern.
Die Person des Königs ist heilig und unverletzlich. Der König
ist für seine Handlungen niemand verantwortlich. Die Verantwor-
tung für die Regierungshandlungen des Königs tragen die Minister.
Das Einkommen, das der König für sich und seinen Hofstaat aus der
Staatskasse bezieht, heißt Zivilliste.
Von den Landständen. Die Landstände sind berufen, die ver-
fassungsmäßigen Rechte des Landes zu vertreten. Sie teilen sich in
zwei Kammern.
Die Erste Kammer besteht aus etwa 50 Mitgliedern. Es gehören ihr
an die volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses, die Häupter der fürstlichen
und gräflichen Familien, aus deren Besitzungen vormals eine Reichs- oder Kreis-
tagsstimme geruht hat, sowie die Häupter der gräflichen Familien Rechberg und
Neipperg, höchstens 6 vom König auf Lebenszeit ernannte Mitglieder,
8 von ihren Standesangehörigen gewählte Vertreter des ritterschaftlichen Adels,
4 Vertreter der evangelischen und 2 der katholischen Kirche, je 1 Vertreter der Lan-
desuniversität in Tübingen und der Technischen Hochschule in Stuttgart, 2 Ver-
treter des Handels und der Industrie, 2 Vertreter der Landwirtschaft und 1 Ver-
treter des Handwerks.