1881 -
Danzig
: Boenig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Wen ich liebe? fragst du mich.
Kann ihn nicht sehen,
doch ihn verstehen:
Gott im Himmel liebe ich.
Er liebet mich ja auch so sehr;
drum lieb' ich ihn immer mehr und mehr. C«u Ensli».
25. Der alte Großvater und der Enkel.
Es war einmal ein steinalter Mann, dem waren die Augen
trübe geworden, die Ohren taub, und die Kniee zitterten ihm.
Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte,
schüttete er Suppe ans das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas
wieder aus dem Munde. Sein Sohn und dessen Frau ekelten
sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich
hinter den Ofen^in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen
in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal satt; da
sah er betrübt nach dem Tische und die Augen wurden ihm naß.
Einmal auch konnten seine zitternden Hände das Schüsselchen
nicht festhalten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau
schalt, er sagte aber nichts und seufzte nur. Da kaufte sie ihm
ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Pfennige, daraus mußte
er nun essen. Wie sie da so sitzen, trägt der kleine Enkel von
vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was
machst du da?" fragte der Vater. „Ich mache ein Tröglein,"
antwortete das Kind, „daraus sollen Vater und Mutter essen,
wenn ich groß bin." Da sahen sich Mann und Frau eine Weile
an, fingen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Groß-
vater an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen,
sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschüttete. Gebr. Gri,»,».
36. Der dankbare Sohn.
Ein achtzehnjähriger Mensch, dessen Eltern arme Tagelöh-
nerleute waren, diente bei einem Bauer. Eines Nachmittags saß
er auf seinem Pfluge und ließ seine beiden Ochsen, die von der
Arbeit müde geworden waren und sich niedergelegt hatten, ein
wenig ausruhen. Da ging ein Bauer aus dem benachbarten
Dorfe vorbei und sagte: „Weißt du es schon, daß deinen Eltern
in der vergangenen Nacht die Kuh gefallen ist?" Der Knecht
sprang erschrocken von seinem Pfluge auf, und seine Augen standen
voll Wasser. Aber er wußte auch sogleich, was er thun wollte.
Als er heimgekommen war und seinen Ochsen ihr Futter auf-
gesteckt hatte, ging er zu seinem Herrn in die Stube und sagte:
„Gebt mir eine von Euern Kühen. Geld habe ich nicht; aber
ich will Euch ein ganzes Jahr dafür dienen." Der Bauer nahm
den Vorschlag an, und der wackere Sohn führte noch in derselben