1881 -
Danzig
: Boenig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Römisch-Katholisch
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Aber von Kapern«um, „die bis in den Himmel erhoben
war," von Chorazin und Betsaida, den Städten, in welchen die
„meisten seiner Thaten geschehen, und die sich doch nicht gebessert
hatten," ist keine Spur mehr zu finden, als wären sie „bis in
die Hölle hinunter gestoßen." Die Wälder- und Weingärten sind
von den Hügeln verschwunden; Palmen-, Feigen- und Oliven-
bäume stehen nur noch vereinzelt umher.
Von dem Südende des Sees Tiberias beginnt das Jordan-
thal, welches sich 25 Stunden weit bis zum toten Meere hin
absenkt. Zu beiden Seiten wird es von felsigen Kalkgebirgen
begleitet. Die hohen Wände des Thales drängen die Sonnen-
hitze in ihm zusammen und wehren den kühlenden Westwinden
den Zutritt. Das Wasser des Flusses wird trübe und geht in
rascher aber geräuschloser Strömung. Im Sommer ist der Fluß
seicht; aber im Frühling wächst er an Tiefe und reißender
Schnelle. Seine Ufer sind dicht mit Buschwerk besetzt, mit
Weiden, Pappeln, Schlingpflanzen, reiterhohem Schilfrohr. In
diesem Dickicht Hausen Vögel, Hasen, wilde Schweine, Schakale,
Luchse, Leoparden, vormals auch wohl Löwen. Der Jordan er-
gießt sich in das tote Meer. Im alten Testamente wird es
das Salzmeer genannt. Das Wasser hat einen schönen, grün-
lichen Schein und ist ziemlich klar, hat aber einen widerlichen,
salzigen Geschmack. Es hat eine außerordentliche Tragkraft, so
daß man sich, auch ohne schwimmen zu können, mit Leichtigkeit
auf der Oberfläche des Sees erhält. Die starke Ausdünstung
aus dem Meere macht, daß seine Salze, besonders in der Sommer-
zeit, an verschiedenen Teilen des Ufers sich ansetzen. Sand-
bänke, Inseln und Ufersteine sind mit einer Salzkruste über-
zogen. Jähe Kalksteinfelsen umschließen das Meer. Eine
drückende Gewitterschwüle liegt über dem toten Meere; mindestens
200 Pieter unter dem Meeresspiegel gelegen, von Felsenketten
fast rings umschlossen, ohne den Schatten einer Waldung, ohne
den Zutritt kühlender Winde ist dieser See sieben bis acht Mo-
nate lang den brennenden Strahlen einer unumwölkten Sonne
ausgesetzt. _ Kein Fisch laßt sich in seiner Flut entdecken. Kein
schiff, kein Wasfervogel durchrudert den See; keine Muschel
liegt am Gestade; kein Gebüsch, kein Gras begrünt die Ufer und
Felsen. Totenstille ruht auf der weiten Einöde; hier ist die
Einsamkeit des Friedhofes! — Nach Bw-r.