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1. Lesebuch für Volksschulen - S. 46

1894 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
46 fliegt der Eimer, hoch in: Bogen spritzen Quellen Wasserwogen. Heulend kommt der Sturm geflogen, der die Flamme brausend sucht. Prasselnd in die dürre Frucht fällt sie, in des Speichers Räume, in der Sparren dürre Bäume, und als wollte sie im Wehen mit sich fort der Erde Wucht reißen in gewalt'ger Flucht, wächst sie in des Himmels Hohen riesengroß; hoffnungslos weicht der Mensch der Götterstärke, müßig sieht er seine Werke und bewundernd untergehn. 91. Leergebrannt ist die Stätte, wilder Stürme rauhes Bette. In den öden Fensterhöhlen wohnt das Gra::en, und des Himmels Wolken schauen hoch hinein. Einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sendet noch der Mensch zurück — i greift fröhlich dann zum Wanderstabe. Was Feuers Wut ihm auch geraubt, ein süßer Trost ist ihm geblieben: er zählt die Häupter seiner Lieben, und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt. Schiller. Erntewetter. Der junge Bauer Krull hatte soeben seinen Rnndgang durch seine Felder oollendet. Vor ihm stand seine Großmutter. „Dies Jahr," sagte er, „wird sich die Ernte lohnen. Es wird aber auch Zeit, daß man wieder einmal ordentlich einheimst. Der liebe Gott war's uns auch eigentlich schuldig." „Nun, nun," erwiderte die alte Großmutter, „das klingt ja gewaltig hochmütig, Wilhelm. Aber dem lieben Gott kannst du nun einmal keine Vorschriften machen." Zur Zeit aber, wo das Getreide so dringend des Regens bedurft hätte, kam keiner. Wochenlang blieb es trocken, und traurig stand das Korn ans dem Felde. Der Bauer grollte, und als ihm die Großmutter in den Weg kam, sagte er: „Was nützt alles Kirchengehen und Beten! Es hilft alles nichts. Die Sonne verbrennt alles." „Versündige dich nicht, Wilhelm," mahnte die Großmutter. „Trägst den Namen eines so frommen Kaisers und redest wie ein ungläubiger Heide. Wart's doch ab. Es kann ja noch alles gut nierden!" Endlich nach langem Harren kam auch der ersehnte Regen. Groß und klein trat vor die Hausthür und erquickte sich an dem Geräusch der niederplätschernden Tropfen. Aber es regnete und regnete nun ohne Aufhören, wochenlang. Das Heu verfaulte auf den Wiesen, und das Getreide begann auf dem Felde anszu- wachsen. Es war recht, recht traurig. Die Großmutter betete halb laut vor sich hin, daß doch Gott anderes Wetter senden mochte. Der junge Bauer aber ging grollend und auf das Wetter schimpfend im Hofe umher. Da, gegen Mittag brach die Sonne durch die Wolken. Geschwind ging er mit den Knechten aufs Feld und setzte die Garben um. Fast waren sie trocken. Er ließ den Erntewagen holen. Aber noch ehe er aufladen konnte, fiel ein neuer Regen und durchnäßte das Korn von neuem. Als er auf dem Hofe ankam, tobte er wie ein Rasender: „Ich glaube nicht, daß noch ein Gott im Himmel lebt. Nun ist die ganze Ernte hin! O dieser verwünschte Regen!" „Versündige dich nicht, Wilhelm," mahnte die Großmutter, „wir stehen alle in Gottes Hand." Ein schweres Gewitter nahte. „So, nun geht vollends alles zu Schanden," sagte der Bauer ingrimmig und mit bitterem Hohn. „Sprich lieber ein Vater- unser," bat ihn die Großmutter und zog ihn von seinem Platze am Ofen fort.
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