1894 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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4. Als vierundsiebzigjähriger Greis ging Bonifatius noch einmal zu
den Friesen. Seine Predigt schaiite viele Frucht. Einst hatte er auch
wieder viele getauft und sie zu einem bestimmten Tage zur Firmelung
bestellt. Statt ihrer kamen aber wilde Heiden, welche den greisen Apostel
mit zweiundfünfzig Gehilfen erschlugen (754). Die Leiche des Bonifatius
wurde im Kloster Fulda, das er gegründet hat, begraben. Nach Andra u. Bischofs.
234. Karl der Große. 768-814.
a. Karls Person. Sorge für Kirche und Schule.
1. Im Dome zu Aachen steht ein schlichter Grabstein. Darauf sind die
Worte zu lesen: „Karl dem Großen." Dieser große Kaiser herrschte von 768
biz 814 über das große Frankenreich, das sich zu beiden Seiten des Niederrheins
ausdehnte. Erst sechsundzwanzig Jahre alt, bestieg er den Thron seines Vaters
Pipin. Karl war sehr groß von Körperbau. Er maß sieben seiner Fußlangen.
Seine Kleidung war einfach. Das Linnen dazu mußten ihm seine Töchter spinnen
und weben. Nur an hohen Festtagen erschien er in königlicher Pracht. Dann
trug er ein langes Gewand, das mit Gold durchwirkt war, Schuhe, mit Edel-
steinen besetzt, und einen goldenen Kopfreif (Diadem), strahlend von Edelsteinen.
2. Karl hatte einen frommen Sinn. Die Kirche besuchte er täglich, früh-
morgens und nachmittags. Alle Sonntage mußte in der Volkssprache gepredigt
werden. Die Geistlichen, welche nicht lesen konnten, mußten es noch lernen. Um
den Gottesdienst zu heben, ließ er aus Italien Sänger und Orgeln kommen; da-
durch lernten die Franken nach und nach lieblicher singen. Die Kirchen zierte er
mit schönen Gemälden. Aberglauben duldete er nicht und verbot das Verbrennen
von Hexen und Zauberern.
3. Zu Karls Zeiten verschmähten es noch die Fürsten und Freien, sich mit
Lesen und Schreiben zu beschäftigen. Auch Karl hatte als Knabe nicht schreiben
gelernt, deshalb setzte er sich als Mann noch hin, um die Buchstaben nachmachen
zu lernen; ja, er hatte in seinem Bette unter dem Kopfkissen Tafeln und Blätter
liegen, ans tvelchcn er sich des Nachts, wenn er aufwachte, im Schreiben übte.
Doch seine des Schwertes gewohnte Hand brachte es darin nie zu großer Fertigkeit.
4. Karl hatte an seinem Hofe eine Schule errichtet, in welcher die Kinder
seiner Diener, sowohl der hohen als der niedern, unterrichtet wurden. Einst be-
suchte er die Schule, um zu sehen, was die Kinder gelernt hatten.
1. Als Kaiser Karl zur Schule kam und wollte visitieren
da prüft’ er scharf das kleine Volk, ihr Schreiben, Buchstabieren,
ihr Vaterunser, Einmaleins und was man lernte mehr;
zum Schlüsse rief die Majestät die Schüler um sich her.
2. Gleich wie der Hirte schied er da die Böcke von den Schafen,
zu seiner Rechten hiess er stehn die Fleifsigen, die Braven,
da stand im groben Linnenkleid manch schlichtes Bürgerkind,
manch Söhnlein eines armen Knechts von Kaisers Ilofgesind’.
3. Dann rief er mit gestrengem Blick die Faulen her, die Böcke,
und wies sie mit erhobner Hand zur Linken in die Ecke;
da stand im pelzverbrämten Rock manch feiner Herren Sohn,
manch ungezognes Mutterkind, manch junger Reichsbaron.