1894 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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mit seinen beiden ältesten Söhnen ein. Es war die letzte Freude für die Sterbende.
Der König war wie zermalt van Schmerz. Wenige Stunden darauf trat wieder
ein heftiger Krampfanfall ein; es war gegen neun Uhr, als die Königin sanft das
Haupt zurückbog, die Augen schloß und ausrief: „Herr Jesu, mach' es kurz." Nach
einmal atmete sie aus; mit diesem stillen Seufzer endete ihr Leben. Der König
drückte seiner Luise die Augen zu — seines Lebens Sterne, die ihm auf seiner
dunklen Bahn sv treu geleuchtet.
Prinz Wilhelm, der nachmalige Kaiser Wilhelm I., küßte die bleichen Lippen
seiner Mutter und ging dann weinend in den Garten. Hier pflückte er Eichen-
blätter und Rasen und wand einen Kranz daraus. Diesen legte er auf das Sterbe-
bett seiner Mutter. Der Kranz ist nachher unter Glas und Rahmen gebracht und
hängt noch heute an der Wand des Sterbezimmers im Schlosse Hohen-Zieritz.
Der tiefste Schmerz eines ganzen Volkes begleitete den Leichenzug nach Berlin
und nach Charlottenburg, wo ihr der edle Gemahl in dem berühmten Mausoleum
eine Ruhestätte bereitet hat, wie sie ihrer und seiner würdig ist.
Nach dem Tagebuch der Gräfin v. Botz, Eylert u. a.
e. Preußens Erneuerung.
1. Das Unglück von Jena und Tilsit ist für Preußen ein großer Segen, ja,
der Anfang einer völligen Erneuerung des Staates geworden. Gerade in jener
Zeit der Not unternahm es König Friedrich Wilhelm Iii. im festen Vertrauen ans
Gott, die Keime einer besseren Zukunft zu pflanzen und zu pflegen. Er hatte
dabei vornehmlich zwei Männer als Helfer, den Minister Freiherrn von: Stein
und den General Scharnhorst.
2. Zn allererst kam cs darauf an, die Kriegssteuer an Frankreich zu zahlen.
Daher galt es vor allem zu sparen. Der König ging selbst voran; er entließ
viele seiner Diener und aß nicht besser als ein einfacher Bürger. Das goldene
Tafelgeschirr schickte er in die Münze und ließ Geld daraus prägen. So gelang
es, noch im Jahre 1808 die Kriegssteuer abzutragen.
3. Aber mehr noch mußte man für die Zukunft sorgen. Es mußte in alle
Stände ein ganz neues Leben gebracht werden. Kein Stand hatte dies so nötig
als der Bauernstand. Fast alle Bauern in den Ländern östlich von der Elbe
waren damals noch unfrei. Sie waren zwar nicht leibeigen, aber sie waren dem
Gutsherrn erb unter thänig. Der Bauer war an sein Gut, an die Scholle, auf
der er geboren war, gebunden. Seine Kinder durften nicht in fremde Dienste
gehen, seine Töchter durften sich nicht verheiraten, wenn es der Gutsherr nicht
erlaubte. Der Acker, den der Bauer bearbeitete, gehörte ihm nicht als freies Eigen-
tum, sondern er hatte nur den Nießbrauch. Der eigentliche Besitzer war der Guts-
herr, und der Bauer mußte demselben für den Nießbrauch seines Ackers schwere
Frondienste leisten und Abgaben an Korn und Geld geben. Da beschloß der König,
den Bauernstand in Preußen zu einem freien zu machen. Vom 1. Juni 1808
ab sollte auf sämtlichen königlichen Doinünen keine Erbunterthänigkeit mehr statt
finden. Allein in der Provinz Preußen wurden dadurch 47 000 Bauern frei. —
Vom Martiiütage 1810 ab hörte auch auf allen adeligen Gütern alle und jede
Gutsunterthänigkeit ans.
4. Ebenso erhielten die Städte 1808 eine ganz neue Verfassung, die Städte-
ordnung. Bis dahin hatten sie in obrigkeitliche Ämter nur ausgediente Militärs
wählen dürfen, die den Bürgern fremd waren und nicht wußten, was der Stadt
not that. Jetzt durften die Bürger ihren Bürgermeister, ihren Magistrat und die
Stadtverordneten nach ihrem Wunsche und aus ihrer eigenen Mitte wählen. Diese