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1. Lesebuch für Volksschulen - S. 411

1894 - Bielefeld [u.a.] : Velhagen & Klasing
Etwas aus der Volkswirtschaft. 457. Reichtum und Armut. Es ist schon viel über den Reichtum nachgedacht und geschrieben worden, und manche denken gewiß wie Hänschen Schlau: „Es ist sonderbar bestellt, daß nur die Reichen in der Welt das meiste Geld besitzen." Andere Menschen meinen wohl, es wäre am besten und schönsten, wenn es nur reiche Leute gäbe und gar keine Armen. Aber wäre denn das überhaupt möglich? Wenn heute irgend eine gütige Fee jedem Menschen eine Million Mark unter das Kopfkissen legte, so wären morgen alle gleich arm. „Ja, wie kommt das?" werdet ihr vielleicht fragen und schüttelt ungläubig mit dem Kopfe. Das kommt davon, daß alles sofort entsprechend teurer tviirde. Der Bäcker würde für jede Senunel hundert bare Mark, und der Metzger für jedes Pfund Fleisch ein paar tausend Mark verlangen, und die vielen Millionäre, die in der Stadt und auf dem Lande herumliefen, würden es bezahlen. So käme es schließ- lich nach ein paar kurzen unvernünftigen Wochen wieder dahin, daß jeder arbeiten müßte, um sich sein Brot 51t erwerben. Dann würde sich ein fleißiger Arbeiter vielleicht fünfzigtausend Mark an einem Tage verdienen; aber er müßte ebensoviel ausgeben, um seinen einfachen Lebensunterhalt zu bestreiten. Wem wäre es dann auch zu verargen, wenn er nicht täglich zehn oder auch nur fünf Stunden hinter den Büchern oder hinter dein Leister: sitzen wollte, sondern sich lieber einen ver- gnügten Tag machte? Leider giebt es nur tvenige Menschen, denen die Arbeit ein Bergnilgen ist, und noch weniger Millionäre, die aus bloßenr Vergnügen tag- aus, tagein Stiefel oder Kleider machen und den Kindern das Abc oder das Einmaleins beibringen. Wären also alle Menschen reich, so müßten wir barfuß und nackt umhergehen und könnten weder lesen noch schreiben noch rechnen, gerade so wie die Wilden. „Hm, das sehe ich jetzt wohl ein," meint gewiß nun mancher; „aber Recht muß doch Recht bleiben! Können nicht alle reich sein, so mögen doch wenigstens alle gleich arm sein." Gesetzt aber, es wären alle Menschen gleich arm, so könnte keiner die Arbeit des andern bezahlen, so daß jeder sich nur damit kleiden und davor: nähren müßte, was er sich durch seiner eigenen Hände Arbeit verschaffte. Wer da nicht in Tier- felle gekleidet umhergehen und sich von den wildwachsenden Früchten des Feldes wie ein zweiter Robinson nähren wollte, der wäre übet daran. Wir würden wiederum wie die Wilder: leben, uird jeder Fortschritt in der guten Sitte, in Wissen- schaft und Kunst, kurz in allem, was den Menschen znm Menschen macht, wäre geradezu unmöglich. Daher wird's wohl so an: besten sein, tvie es gerade in der Welt ist, daß es nämlich beides, Reiche und Arme, giebt, oder mit andern Worten, daß ein
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