1894 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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„Wenn er fortfährt, so sparsam zu sein, wird er sich ein Vermögen erwerben,"
sagten alle.
Die jungen Leute hatten auch Lust, reich zu werden.
„Ihr braucht nur zu arbeiten und zu sparen, d. h. ihr müßt nicht zu viel
ausgeben," sagte Vater Reinhard zu ihnen. „Vor allem sparen!" fügte der Lehrer
hinzu. „Wenn ihr noch so andauernd und hart arbeitet, aber jeden Tag das
ausgebt, was ihr an demselben Tage verdient, also von der Hand in den Mund
lebt, werdet ihr nie in den Besitz eines Kapitals gelangen. Durch Arbeit kann
man Geld gewinnen, durch Sparsamkeit es bewahren und vermehren."
„Also das Kapital besteht aus Geld?" fragte Paul.
„Gewiß!" riefen mehrere der Umstehenden zugleich.
„Nicht immer," versetzte der Lehrer. Als man glaubte, er scherze, sagte er:
„Hier seht ihr ein Fünfmarkstück. Das ist doch Geld, nicht wahr!"
„Ja, ja!"
„Nun gut. Wenn ich für dieses Geld Brot zum Verzehren kaufe, so ist das
kein Kapital. Kaufe ich dagegen für dieses Geld ein Buch, welches ich zum Unter-
richt gebrauche, so ist dies mein Werkzeug, — das Buch ist mein Hammer, mein
Hobel — und da die Werkzeuge einen Teil des Kapitals bilden, so sind die fünf
Mark, welche ich für das Buch ausgab, als Kapital anzusehen. Das Geld, welches
man zur Befriedigung seiner Bedürfnisse ausgiebt, ist kein Kapital."
„Sind denn der Pflug, die Ochsen, die Schafe ebenfalls Kapital?"
Ohne Zweifel. Denken wir uns einen jungen Mann, der jeden Tag von
seinem Verdienst 1 Ji> erspart, nach 100 Tagen hat er 100 M erspart. Ist dies
ein Kapital? So lange er sie in der Schublade verwahrt, noch nicht. Legt er
sie aber in der Sparkasse zu 3"Io Zinsen an, so ist es ein Kapital; denn es er-
zeugt ein Einkommen.
Wer alle Jahre 20 M erspart und zu 4 Prozent zinstragend anlegt, wird
nach zwanzig Jahren eine Summe von etwas über 600 Jua sein eigen nennen.
Nun könnte aber mancher Arbeiter, Geselle n. s. w. mit Leichtigkeit jährlich nicht
bloß 20 Jio, sondern wohl das Doppelte ersparen, wenn er nur seine Ausgaben
für Bier und Cigarren etwas einschränken wollte.
So gelangt man durch Sparen zum Kapital. Sparen heißt sich einschränken.
Wer sich aber einschränkt, kann etwas zurücklegen. Halm bei Halm baut sich der
Vogel ein Nest, und aus kleinen Bächen entstehen große Flüsse. Es ist nicht
nötig, daß man viel verdient, um sparen zu können. Man kann dies auch bei
geringem Verdienst: man muß nur weniger ausgeben, als man einnimmt. Nach Block.
463. Das Eigentum.
Fritz hat sich einen Papierdrachen gemacht, und sein Onkel hat ihm einen Ball
geschenkt. Den Drachen sowohl wie den Ball betrachtet er als sein Eigentum, mit
dem er machen kann, was er will. Er ist der alleinige Besitzer dieser Dinge, und
schlimmsten Falls würde er sein Recht darauf verteidigen mit allen Mitteln, sowie
er seine Ohren verteidigen wiirde, wenn jemand sie ihm abschneiden wollte.
lind es ist gut, daß dem so ist.
Warum?
Weil die Gewißheit, sein Eigentum genießen zu können, zur angestrengten
Thätigkeit führt. Dadurch wird das Eigentumsrecht die Veranlassung, nützliche Er-
zeugnisse aller Art hervorzubringen. Wo sonst hundert Wilde kaum Nahrung fanden,
sieht man jetzt 10 000 Familien, die durch ihre Thätigkeit sich ein Vermögen er-
werben und im Wohlstände leben.
Kah»meher u. Schulze, Lesebuch.
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