1894 -
Bielefeld [u.a.]
: Velhagen & Klasing
- Autor: Schulze, Hermann, Kahnmeyer, Ludwig
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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trägnisse reichen aber lange nicht aus, und deshalb müssen die Bewohner zu den
Ausgaben des Staates etwas beitragen. Das können sie auch ganz gern thun;
denn die Sicherheit, deren sie sich erfreuen, und die Förderungen, die sie.in ihrer
Arbeit erfahren, verdanken sie ganz allein den Einrichtungen des Staates. Die
Summe, welche der Bürger nu den Staat zu zahlen hat, nennt man Steuern. Die
Steuern sind verschiedener Art. Wer ein Haus oder ein Grundstück besitzt, zahlt
Grundsteuer. Wer eine Fabrik besitzt oder ein Geschäft betreibt, hat Gewerbesteuer
zu zahlen. Außerdem muß jeder von seinem jährlichen Einkommen steuern; so der
Beamte von seinem Gehalt, der Arbeiter von seinem Verdienst, der Kaufmann von
seinem Gewinn, der Bauer von dem Ertrage seines Hofes re. In Preußen
ist jeder, der über 3000 Mark Einkommen hat, verpflichtet, die Höhe seines Ein-
kommens anzugeben. (Selbsteinschätzung.) Dabei ist die Einrichtung getroffen, daß
ein großes Einkommen verhältnismäßig viel höher besteuert wird als ein kleines.
So hat z. B. der Schuhmacher N. ein jährliches Einkommen von 800 Mark und
muß dafür 20 Mark jährlich steuern. Dicht neben ihm wohnt ein Arzt, der hat
zehnmal so viel Einkommen, also 8000 Mark. Wer nun aber meinen sollte, der
Arzt hätte muí) nur zehnmal soviel Steuern zu zahlen als der Schuhmacher, der
irrt. Der Arzt wird nicht zehnmal zwanzig Mark — 200 Mark, sondern vielleicht
15 X 20 Mark — 300 Mark zu zahlen haben. Daraus ersieht man, daß die
Reichen weitaus den größten Teil der Steuern bezahlen müssen.
Alle die hier erwähnten Stenern sind direkte Steuern, weil sie der Besteuerte
unmittelbar (direkt) an den Staat zahlt. Außer diesen direkten Steuern giebt cs aber
auch indirekte Steuern. Der Staat verlangt z. B. eine Steirer für jedes Glas
Bier, welches )vir trinken. Es wäre aber sehr umständlich, wenn mir nach jedem
Glas Bier, das wir getrunken, zum Steuereinnehmer gehen und den kleinen Betrag
bezahlen sollten. Deshalb hält sich der Staat an den Bierbrauer, und dieser muß
die Steuer für alles Bier, welches er herstellt, entrichten. Der Brauer verlegt aber
nur diese Summe, und wenn er ein Faß an den Gastwirt verkauft, so muß dieser
ihm die Steuer zurückzahlen; der Gastwirt endlich erhöht den Preis eines jeden
Glases um den Betrag der Steuer, und so kommt nun endlich derjenige Mann an
das Bezahlen der Biersteuer, von welchem man dieselbe haben wollte, nämlich der
Biertrinker. Weil eine solche Steuer ans Umwegen, mittelbar erhoben wird, nennt
man sie mit einem fremden Worte indirekte Steuer. Andere Einnahmen hat der
Staat durch die Zölle, welche an den Grenzen des Landes von Waren erhoben
werden, die ans dein Anslande eingeführt werden; hierdurch erhält der Staat nicht
allein Geld, sondern er schützt auch das einheimische Gewerbe. Denn wenn z. B.
eine im Auslande hergestellte Maschine durch verschiedene Umstände 100 Mark kostet,
eine gleiche aber im Jnlande nur für 110 Mark hergestellt werden kann, so mürben
alle Leute derartige ausländische Maschinen kaufen, und unsere eigenen Gewerbe-
treibenden könnten ihre Werkstätten zuschließen und feiern; dies zu verhüten legt
man an der Grenze einen Zoll, vielleicht von zehn oder zwölf Mark, auf jede solche
Maschine, und nunmehr können unsere deutschen Arbeiter wieder die Hände rühren.
Da man die indirekten Steuern mit dem Preise der Ware vereinigt hat, so
merkt man fast gar nicht, daß man sie bezahlen muß. Manche indirekte Steuern,
z. B. solche, die ans Wein, Schnaps, Bier, Tabak und Cigarren gelegt sind, braucht
man nicht zu bezahlen, wenn man nicht will. Denn niemand ist gezwungen, Schnaps
zu trinken und Tabak zu rauchen. Die ganzen Einnahmen und Ausgaben des
Staates verwaltet der Finanz minister. Nach O. Pache u. o.