1904 -
Hildburghausen
: Gadow
- Autor: ,
- Hrsg.: Weidemann, D.
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
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Hans hinblickte nach der Stelle, wo der Baumstamm gelegen hatte, war
von diesem nichts mehr zu sehen; der Wirbelwind aber war vorüber, kein
Lüftchen regte sich mehr. Da merkte Hans, wer ihm den Possen gespielt
hatte; die Sprache kehrte ihm wieder und wütend schrie er: Vermaledeiter,
rußiger, rotbärtiger, spitzbübischer Rübezahl! Du heimtückischer Neidhart,
hast mir mein ganzes Lebensglück zerstört!
Rübezahl ließ nichts von sich hören und sehen; aber zwei unsichtbare
Hände begannen den armen Hans dergestalt zu ohrfeigen, und ein paar-
dicke Prügel tanzten dazu auf feinem Rücken herum, daß ihm schnell sein
Heldenmut sank. Er stürzte von: Hügel hinab und langte mit hoch-
geschwollenen Backen und blauem Rücken, halb tot vor Angst, Schmerz
und Verzweiflung, vor seinem Hause an.
Frau Lisbeth erschrak erst uiächtig, als sie ihren Blaun in einem so
kläglichen Zustand erblickte. Als er ihr aber alles erzählt hatte, merkte
sie, daß es Rübezahl gewesen wäre, und konnte sich eines schadenfrohen
Lächelns nicht erwehren.
Es ist kein anderes Mittel, ächzte Hans, als daß du die Ziege und
die Zicklein verkaufest. Sobald ich mich dann von meiner Prügelsuppe
erholt habe, will ich zurück nach Böhmen und neue Gläser kaufen.
Ach, lieber Hans, sprach Lisbeth mit verstellter Trauer, die Ziege
und die Zicklein sind leider gestorben.
Gestorben? schrie Hans — die Ziege und die Zicklein? Ach, daß
Gott sich erbarme! Da können wir und die armen Kinder uns auch hin-
legen und sterben; ich weiß keine Rettung mehr!
Indem tritt der Pfarrer ein, der Hans hatte ankommen sehen, und
eröffnete ihm, daß er eine sehr frohe Botschaft bringe.
Könnt ihr die Ziege und die Zicklein lebendig und mein Glas wieder
gnt machen? fragte weinerlich Hans. — Ich weiß nicht, was Ihr redet,
sprach der Pfarrer; ich kümmere mich weder um Eure Ziege noch um
Euer Zicklein noch um Euer Glas und würde mich auch nicht um Euch
kümmern; denn die Wahrheit zu sagen, so taugt Ihr nicht viel; denn Ihr
seid geizig und mißtrauisch und behandelt Euer Weib sehr übel; aber ich
komme zu Euch, weil das, was ich Euch sagen will. Euer edles Weib
betrifft. Nun erzählte ihm der Pfarrer, daß seine Frau von einem
reichen, unbekannten Verwandten 2000 Dukaten geschenkt erhalten habe
mit der Bedingung, daß der Pfarrer des Orts dieses Geld in Empfang
nehme und verwalte, weil Hans ein Geizhals sei.
Als Hans dies hörte, wollte er es erst gar nicht glauben; da zog
der Pfarrer den Sack mit den: Gelde hervor und zeigte ihn dem Hans.
Aber welche Freude empfand nun Hans, und wie lieb hatte er nun fein
Weib! Er umarmte und küßte sie so zärtlich, wie er seit seinem Bräutigams-
stande nicht getan hatte, und blieb auch von Stund an der artigste Mann
im ganzen Riesengebirge. Übrigens fügte er sich in alles, was der Pfarrer-
für gut fand. Der kaufte ein hübsches Banerngütchen mit allem Zubehör,
welches Hans und Lisbeth fleißig bestellten. Ihr Wohlstand nahm von
Jahr zu Jahr zu, und ihre Nachkommen gelten jetzt für die wohlhabendsten
Bauern des Riesengebirges und verehren noch bis auf den heutigen Tag
den guten Rübezahl als den ersten Gründer ihres Glückes.
Nach Mnsäus.