1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Mittelpunkte seines Reiches. Man untrrschied später nach den 4 Hügeln,
auf denen sie erbaut ist, vier Haupttheile, wovon zwei die wichtigsten sind;
der Hügel Moriah, durch Isaaks Opfer geheiliget, mit dem Tempel
Salomos, und die Höhe Zion mit der Burg Davids.
Das heutige Jerusalem, in Form eines Vierecks, ist mit 40 Fuß hohen
Mauern und 34 Thürmen umfasst. Innerhalb der Stadt wird dem Pilger
seltsam zu Muth. So massiv sind die blinden hohen Mauern, dass man Zn
den einsamen Straßen wie durch Jrrgänge einer-gewaltigen Festung zu wan-
dern scheint. Kein Fenster geht auf die Straße, hier und da ein vorsprin-
gender vergitterter Erker. Die Gassen sind nirgends eben, sondern klimmen
und krümmen sich im Zickzack; Rebengewinde und Blumen ranken und blühen
überall aus dem Gemäuer. Die Stadt hat 23,000 Einwohner, Muhame-
daner, Juden und 7000 — 8000 Christen. In einem Winkel am Tempel-
platz sitzen mit entblößten Füßen die Juden, küssen den Boden und lesen
Psalmen und Propheten, die von Glanz und Zerstörung der heiligen Stätte
weissagen. Die römisch-katholische Kirche hat wieder in Jerusalem einen
Patriarchen und ein Kloster mit einer Fremdenherberge; auch die Griechen
und Armenier hesitzen Kirchen und Klöster; die Königin Viktoria von Eng-
land und König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen haben 1841 ein Bis-
thum der englischen Kirche gegründet. Eine evanglische Kirche steht auf
Zion, auch ein von Diakonissinnen geleitetes Krankenhaus ist vorhanden, in
dem gegen Reisende aller Bekenntnisse liebevolle Gastfreundschaft geübt wird.
In und um Jerusalem ist jedes Stück Erde für christliche Erinnerung
heiliger Boden. Das größte Heiligthum aber ist die Kirche des heiligen
Grabes, welche alle Stätten des Leidens und der Auferstehung unsres
Herrn begreift. Den nach Osten gerichteten Chor bildet der Calverien-
berg, in dem westlichen Chore steht unter der Kuppel die Kapelle des
heiligen Grabes. Aus der Vorhalle der Engelskapelle gelangt man in
das eigentliche Grab, eine Grotte, welche 6 Fuß lang, 5 Fuß breit ist
und von fünfzig ewigen Lampen erleuchtet wird. Rur immer drei Pilger
finden aus einmal Raum, sich an heiliger Stätte niederzuwerfen, und ein
Klosterbruder ruft ihnen zu: „Siehe, hier ist das Grab unseres Herrn und
Erlösers, der für unsere Sünden in den Tod gegangen ist."
Außerhalb der Stadt im Osten erblicken wir im dunklen Grunde des
Thales Josaphat die Rinne des Baches Kidron, der im Sommer fast
immer ausgetrocknet ist. Jenseit erhebt sich über 2000 Fuß der Oelberg,
an dessen Fuße östlich das Dörflein Bethanien, und an dessen westlichem
Abhange der Garten Gethsemane liegt; er ist mit einer einfachen Mauer
umgeben, und acht alte Olivenstämme breiten darin ihre ehrwürdigen Zweige
aus. Hier kämpfte der Herr siegreich gegen tiefes Seelenleid, hier rang er
mit dem Tode für die Sünden der Welt.
Eine Meile östlich von Jerusalem liegt auf und zwischen zwei getrennten
Hügeln, umschlossen von reichen Feldern und Gärten mit Wein, Feigen u. s. w.
das nur von Christen bewohnte Bethlehem, d. i. Haus des Brotes, mit
nur 3000 Einwohnern; aber mit nichten die kleinste unter den Städten Juda.
Sie ist als die Geburtsstadt Christi die bedeutendste unter allen Wiegen-
stätten der Welt. Unter einer prachtvollen Kirche in der Nähe der Stadt
befindet sich die Geburtsgrotte des Herrn, in welcher viele silberne Lampen
brennen, hier ward den frommen Hirten die Geburt des Heilandes durch