1876 -
Königsberg
: Bon
- Autor: Preuß, August Eduard, Vetter, J. A.
- Auflagennummer (WdK): 100
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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„So doch Gott das Gras auf dem Felde kleidet!" Kaum vermöchte ich mir
Gott in einer rührenderen Beziehung zu denken, als wie er das Gras auf
dem Felde kleidet. Ich betete viel inniger, seit ich diese Stelle kannte. Und
wenn es in der Geschichte seiner wundervollen Speisung heißt: „Es war an
dem Orte viel Gras," — wie nahe trat dann diese Begebenheit an mein Herz,
wie freundlich ein in den Kreis des menschlichen Lebens, wie schien mir das
Wundervolle fast begreiflich! U eberaus anmuthig dünkte es mich, unter den
Tausenden zu sein, die sich in das Gras gelagert hatten. Vor ihnen im
Grase wandelte der Herr und segnete sie.
Es ist nicht blos das frische, dem Auge erquickliche Grün, die Farbe der
Hoffnung, was ich an dem Grase liebe. Es sprießt so üppig, der Segen des
Himmels ist so recht an ihm sichtbar; es ist in so reicher Fülle vorhanden;
wo nichts Anderes mehr fortkommt, da gedeiht doch oft das Gras noch, ein
Bild des wohlthätigen Ueberflusses aus der Hand des gütigen Schöpfers, der
da segnet mit Wohlgefallen.
Das Gras erfrischt sich zuerst und am meisten, wenn nach langer Dürre
die fruchtbaren Tropfen fallen. Vor allem Andern ergrünt im Frühlinge das
Gras. Das erste grüne Gras an warmen quelligen Plätzen, wie erfreut es
bis in's Innerste das Herz, dieses Zeichen der Wiedergeburt und der himm-
lischen Verheißung! die Perlen des Thaues glänzen am zahlreichsten im Grase.
Das Gras kleidet so freundlich die mütterliche Erde, durch das Gras eben
ist sie mir mütterlich. Wo nur Gras wächst, fühle ich mich daheim, selbst ge-
schieden von Allem, was mich sonst vertraulich umgibt. Wo kein Gras wächst,
o, wie öde und traurig! Was auch immer die Kunst da gethan habe, der
Fluch scheint auf den Stellen zu ruhen, wo kein Gras gedeiht. Das weiche
Gras bettet sich dem Müden, der keine andere Ruhestätte hat, zum erquickenden
Schlummer.
Was die Erde nur irgend Liebes besitzt, das knüpft sich in mir an die
Vorstellung des Grases. Aus dem Grase blinken die lieblichen Quellen; durch
blumenreiches Gras rieseln die fröhlichen Bäche, und die holdesten Kinder der
Natur blühen im Grase.
In der Jugend war das Gras mir Spiel- und Tummelplatz. Im Grase
psiückte ich die Blumen, aus duftiges Gras gelagert, haben mich oft Ahnungen
der Freuden eines ewigen Paradieses beglückt!
Das Gras bedeckt auch die Gräber unserer geliebten Todten, und o, wie
werth ist es mir da! Unter den begrasten Hügeln, so schmeichelt das Gefühl,
muss es sanft sich ruhen.
Einst auf mein Grab — keine Blumen, nur grünes Gras, dies Bild des
Lebens und der Hoffnung.
41. Vom Moos.
®'e schwach ist doch so ein Pflänzchen! Sein Stengel ist von schön geformten
Blättchen dicht umhüllt und kaum so stark, als ein Fädchen Zwirn. Der Fußtritt
eines liogleins wirst es um, ja ein Käser, der vorbeiläuft, stößt das einzeln stehende
zu Boden. Drum hat der liebe Gott auch immer große Gesellschaften tausend und
aber tausend solcher Pflänzchen neben einander wachsen lassen. Diese Zwerglein
richten m Gesellschaft gar Manches aus. Wenn im rauhen Herbst die stolzen
Baume ihre gelben Blätter verlieren, dann ist das Moos am schönsten grün und
wachst am besten. Es sängt die Eicheln und Nüsse der Buchen und Haseln auf
und umhüllt sie weich und warm.
Die tausend Käfer des Sommers suchten sich Verstecke, als der rauhe Herbst-