1885 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Arminius, so hieß der edle deutsche Held, war der Sohn des
Segimer (Sigmar), eines Anführers der Cherusker, die vom Harze bis
zur Elbe hin wohnten. In früher Jugend kam er mit seinem Bruder
als Söldner nach Rom; denn die Cherusker standen damals in gutem
Vernehmen mit den Römern, und diese zogen gern Deutsche in ihre
Kriegsdienste, um Deutsche durch Deutsche zu unterdrücken. Einige Jahre
blieb Armin in Rom. Sein lebhafter, hervorstrebender Geist fand daselbst
Nahrung; er lernte römische Sprache, römische Kriegskunst und römische
Schlauheit kennen und machte sich bald so beliebt, daß ihm Augustus
das römische Bürgerrecht und die römische Ritterwürde erteilte. Als
aber sein Vater gestorben war, kehrte er mit Erlaubnis der Römer in
seine Heimat zurück. Vielleicht glaubte man zu Rom, daß der Jüngling,
den man zu Ehren und Würden erhoben hatte, mit Liebe für Rom erfüllt
sei, und daß er seine Landsleute zu gleichen Gesinnungen führen würde;
aber man irrte sich. Sowie Moses einst, als er am Hofe der Ägypter
erzogen wurde, in aller Weisheit derselben zunahm und doch voll heißer
Liebe für sein armes, unterdrücktes Volk erglühte, so war auch Armin
nur seiner Bildung, nicht seiner Gesinnung nach ein Römer geworden.
Sein Herz war und blieb seinem Vaterlande mit heißer Liebe zugethan.
Er sah, als er in die Heimat zurückkehrte, die nahe Unterjochung
seines Vaterlandes vor Augen. Immer weiter hatten sich die Römer
mit List und Gewalt ausgebreitet; immer zahlreicher wurden ihre Schan-
zen und Besatzungen auf deutschem Boden; immer mehr wurden deutsche
Sitten verdrängt. Um allmählich und unvermerkt das Joch der Knecht-
schaft über den Nacken der Deutschen zu werfen, entzog man ihnen durch
Aushebung ihre junge Mannschaft, gewöhnte man sie an fremde Bedürf-
nisse und römische Lebensweise und schickte ihnen römische Advokaten zu,
die nach römischem Rechte die Streitigkeiten schlichten sollten. Besonders
hart wurden die Deutschen von Quinctilius Varus gedrückt, der jetzt
Statthalter war diesseits und jenseits des Rheins. Die Deutschen
haßten ihn; denn dieser Römer nahm ihnen nicht nur ihr Hab und Gut,
sondern suchte ihnen auch das alte gute Recht aus der Hand zu winden
und die Sprache ihrer Väter zu verdrängen, damit sie auch dann, wenn
sie redeten, immer daran denken sollten, daß sie Knechte seien des römi-
schen Kaisers.
Armin ergrimmte in seinem Herzen, als er die Schmach seines
Vaterlandes sah, und er beschloß, die deutsche Freiheit zu retten. Aber
das Unternehmen war schwierig und für einen gemeinen Kopf ganz
unausführbar. Die Römer standen da mit einer großen Kriegsmacht, die
sich an das rauhe Klima von Deutschland gewöhnt hatte. Die Deutschen
waren geteilt, schwer zu vereinigen und noch schwerer zusammenzuhalten.
Im offenen Felde konnten sie es nicht mit den kriegserfahrenen Römern
aufnehmen; nur in sumpfigen, waldigen Gegenden, die sie genau kannten,
ließ sich Vorteil für sie erwarten. Das bedachte Armin und entwarf
darnach seinen Plan.
Sein Bruder Flavius war ganz und gar römisch geworden. Nach