1885 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Auflagennummer (WdK): 11
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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dessen Sinnesart beurteilte nun auch Varus den Armin, welcher ebenso
freundlich als Flavius gegen den römischen Feldherrn that und oft von
Varus zu Tische geladen ward. Armin ließ ihn beim Glauben, bis das
Werk der Befreiung, das er heimlich im Herzen trug, zur Reife gediehen
sei. Denn heimlich hatte er die Besten seines Stammes zusammen-
berufen und mit ihnen in stiller Waldeinsamkeit Rat gepflogen. Alle
erkannten, daß für die Deutschen nur darin Heil sei, wenn sie alle
Römer, die im Lande saßen, wie böse Raubtiere auf einem einzigen
Treibjagen erschlügen. Dazu lud er nun die benachbarten Brukterer
und die Marsen und noch andere Stämme ein, und alle schlossen mit den
Cheruskern eine Eidgenossenschaft auf Leben und Tod. Vorerst wollten
sie aber die Römer durch erheuchelte Demut sicher machen, und wenn
sich Römer bei ihnen zeigten, leisteten sie nicht den geringsten Widerstand.
Indessen hatte Armin eine Jungfrau gesehen, die hieß Thusnelda.
Keine andere im ganzen Cheruskerlande kam ihr gleich an Schönheit des
Leibes und der Seele, und mit bitterem Schmerze sah auch sie die Er-
niedrigung ihres Volks. Ihr Vater aber, Segest, hielt zu den Römern
und hoffte durch ihren Beistand sich die Herrschaft über sein Volk zu
erringen. Zu dieser Jungfrau trug Armin treue Liebe im Herzen, und
treu und innig hing Thusnelda an ihm. So ging er denn zu Segest
und freite um die Hand der Jungfrau, und als sie ihm verweigert ward,
achtete er in seiner großen Liebe weder der alten Sitte, noch der Gefahr
für seine Freiheit, wenn der Vater ihn ereilte. Er entführte Thusnelden
und brachte sie heim als sein eheliches Weib. Dafür schwur ihm Segest
ewige Rache, und er begann dieselbe damit, daß er den Varus vor
Armin als einem Verräter warnte. Doch Segest predigte tauben Ohren;
der römische Feldherr meinte, an allen den Verleumdungen sei bloß die
Entführung der Thusnelda schuld, und überdies deuchte er sich klüger
und verachtete den Rat eines „plumpen Deutschen." So schlug ihn
Gott mit Blindheit.
2. In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die Kunde
erhielt, ein deutscher Stamm an der Ems habe sich erhoben und alle
Römer, die in seinen Marken wohnten, erschlagen. Also war es verab-
redet worden unter den Eidgenossen. Denn Armin, die Seele des
Bundes, hatte zuvor bedacht, daß Varus in solchem Falle nicht säumen
würde, mit aller Macht ins Feld zu ziehen. Und so kam's auch. Der
Römer beschloß, ohne Verzug aufzubrechen und Rache zu nehmen. Beim
Abschiedsmahl im Lager waren Armin und Segest zu Gaste, und Segest
warnte noch einmal. Doch Varus glaubte ihm abermals nicht und gebot
vielmehr dem Armin, daß dieser den Heerbann der Deutschen aufbiete
und sie als Bundesgenossen den Römern zuführe. Dann brach er
stolzen Mutes mit drei erprobten Legionen auf und zog in die Berge
an der Weser, in die Gegend, wo jetzt Herford und Salzufeln liegen.
Rasch bot Armin den Heerbann auf, und freudig nahmen die Eidgenossen
ihre Schwerter, um für die Freiheit zu kämpfen. Aus wohlbekannten
kiirzeren Wegen führte Armin sie hinter den Römern her und fiel