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1. Das Vaterland - S. 62

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
62 hervorzuheben, war das ganze Leben des Adels kriegerisch von Jugend auf. Körperliche Kraft und Gewandtheit ging ihm über alles; um höhere Aus- bildung des Geistes kümmerte er sich wenig. Mancher Adelige konnte nicht einmal seinen Namen schreiben. Dagegen lernte er von Jugend auf ein wildes Roß tummeln und Lanze und Schwert mit Gewandtheit führen. Wegen der immerwährenden Übung mußte er wohl der ausgezeichnetste Krieger werden. Denn zu einer Zeit, wo das Pulver noch nicht erfunden war, konnte nur körperliche Kraft und Gewandtheit die Schlacht entscheiden. Und wie hätte sich in der Schlacht der leichte Fußgänger mit dem geübten Reiter messen können, der, vom Kopfe bis zu den Füßen mit Eisen bedeckt, jeder feindlichen Waffe trotz bieten konnte! So machten in den damaligen Zeiten die Adeligen die vornehmsten Krieger aus; nach ihrer Anzahl wurde fast einzig die Stärke des Heeres bestimmt. Von ihrem Reiterdienste be- kamen sie den Namen Ritter. Mit der Zeit bildeten die Ritter einen besonderen Stand. Religion, Ehre, Tapferkeit und Hochachtung gegen das weibliche Geschlecht waren die vier Haupttugenden der Mitglieder. Die Aufnahme in diesen Stand erforderte eine vieljährige Vorbereitung und war mit großen kirchlichen Feierlichkeiten verbunden. Schon im siebenten Jahre ward der Knabe von edler Herkunft in das Schloß eines anderen Ritters gebracht. Hier lernte er als Bube oder Page im Dienste seines Herrn und im ehrfurchts- vollen Umgänge mit Edelfrauen die Anfangsgründe der Rittertugenden. Er wartete bei der Tafel auf, säuberte die Waffen, hielt seinem Herrn beim Aufsteigen den Bügel und übte sich im Fechten, Schießen und Reiten, um seinen kleinen Körper gewandt und stark zu machen. Im vierzehnten Jahre ward er durch Umgürtung eines Schwertes, welches vom Priester am Altare feierlich eingesegnet war, wehrhaft. Nun hieß er Knappe (Knabe) oder Junker. Von nun an begleitete er seinen Herrn zu jeder Stunde und zu jedem Geschäfte, zu der Lust der Jagd, den Festen und Waffenspielen, so wie in den Ernst der Schlacht. Treue Anhänglichkeit an seinen Herrn war die erste Pflicht. Und hatte er in der Schlacht mit Schild und Schwert seinen Herrn gerettet, so trug er den größten Ruhm davon, den ein adeliger Jüngling sich erwerben konnte. Hatte der Knappe unter diesen ritterlichen Übungen das einundzwan- zigste Jahr erreicht, so konnte er zum Ritter geschlagen werden. Zu dieser wichtigen Handlung mußte er sich durch den Empfang der heiligen Sakra- mente, durch Fasten und Beten vorbereiten; auch mußte er sich zuvor baden und eine Nacht in voller Rüstung in einer Kapelle zubringen. Und kam daun endlich nach langem Sehnen der Morgen des Tages, welcher der schönste und glorreichste in des Jünglings Leben war, so wurde er im feierlichen Zuge zur Kirche geführt. Knappen trugen die Rüstung, den Streitkolben, den Schild und das Schwert, Edelfrauen den Helm, die Sporen und das Wehrgehenk. Ehrfurchtsvoll kniete der Knappe am Altare nieder und beschwor mit feierlichem Eide das Gelübde, die Wahrheit zu reden, das Recht zu behaupten, die Religion samt ihren Häusern und Dienern, alle Schwachen und Unvermögenden, alle Witwen und Waisen zu beschirmen,
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