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1. Das Vaterland - S. 188

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
188 gesne ihrer Götter mochten auf Bergesgipfeln und Felsenhöhen und an Flußnfern wohnen; aber der allgemeine Gottesdienst des Volkes hatte feinen Sitz im grünen Hain, und nirgends hätte er auch einen würdigeren Platz finden können. Denn tritt nur hinein in die erhabene Stille eines Eichen- waldes; sei es in der Frühe des Morgens, wenn die hohen Laubkronen im ersten Sonnenstrahle glänzen, oder am heißen Mittage, wenn auf dem schwellenden Moose in der grünen Dämmerung wechselnde Lichtringe spielen, oder am Abend, wenn die gewaltigen Zweige von einem milden Goldschim- mer überzogen sind: ist es dir nicht auch, als spräche eine Stimme in dir und zu dir: „Die Stätte, darauf du wandelst, ist eine heilige Stätte!" und als flüsterten die Blätter, von sanft wehender Luft bewegt, geheimnisvolle Worte einer höheren Offenbarung? —In dem heiligen Dunkel der deutschen Eichenwälder saßen einst die Priesterinnen unserer Väter und lauschten dem prophetischen Rauschen der Blätter, um der harrenden Menge den Ansspruch der Götter zu verkünden. Hier barg man auch die geweihten Fahnen und holte sie mit Ehrfurcht hervor, wenn der Schlachtruf in den Gauen wieder- hallte und die Tapfern aufrief zum Streit. Und wer dann mutig gefochten und den Sieg errungen hatte, den krönte ein Kranz von Eichenlaub, und diese Blätterkrone galt mehr als eine goldene Fürstenkrone. Desgleichen, wenn die alten Deutschen über Krieg oder Frieden beraten wollten, so versammelten sie sich nicht zwischen den vier engen Wänden eines Hauses, sondern sie kamen zusammen in einem größeren Saale, dessen Boden ein grüner Teppich von Gras und Waldblumen und dessen Säulen die hohen Eichbäume waren. Jetzt ist dieses alte, tapfere und starke Geschlecht deutscher Männer aus den Wäldern geschwunden; aber noch heute, wie vor einem Jahrtausend, hebt mit kräftigem Wüchse die Eiche ihr stolzes Haupt in die Luft, und herrliche Eichwälder sind noch immer unsers schönen Vaterlandes schönste Zier. Grube. 126. Die Buche. Neben der Siche gebührt der Buche der preis unter unseren Waldbäumen. Sie liebt sanft gehobene Flächen und tritt gern von den Höhen des Gebirges auf die sonnigen Hügelzüge am Fuße herab. Durch ganz Thüringen, in den Harzthälern, aus Rügen, in den hol- steinischen Marschen herrscht dieser Baum; aber in unvergleichlicher Fracht des Wachstums blickt er über die Buchten von Kopenhagen, wie überhaupt der Norden das Buchenland ist. Unter allen Bäumen ist die Buche der geselligste, sie schlägt ihre Wurzeln nicht tief ins Erdreich, sie muß sie mit ihren Schwesterbäumen kreuzen. So mit verschlungenen Wurzeln und Wipfeln trotzt ein Buchen- wald den Stürmen und dem Sonnenbrand. Allein, ohne andern Schutz erliegt die Buche bald der Witterung. Zn Zugendkrast leicht und doch stolz, wie aus Stahl steigt der runde Schaft hinauf. Glatt und dicht umschließt ihn die silbergraue Rinde. Fast meint man daran die Härte des Holzes zu erkennen, das in der knappen Bekleidung gleichsam nackt
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