1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hoch gestiegen, denn die Finten hatten grossen Schaden getan.
Am 7. Mai kam ein armer Leinweber, ein ehrlicher Meister
aus dem Orte. Sein Gesicht sah vor Hunger und Grämen selber
aus wie graue Leinwand. Er zählte ihm, damit der reiche
Mann Geld sähe, für einen halben Scheffel 3 Taler 22 Groschen
auf den Tisch. Die 22 Groschen bestanden aus Dreiern, Sechsern
und Groschen, denn der Mann hatte alles zusammengesucht.
Aber der Bauer sprach: „Euer Auszählen hilft Euch nichts; der
Scheffel kostet 8 Taler, das ist mein Satz. Eher tue ich
meinen Boden nicht auf.“ Des Bauern Söhnchen, ein Bürschchen
von 10 Jahren, zupfte den Alten am Rock: „Vater, gebts
ihm doch!“ Aber der Vater prägte ihm mit einem Rippenstofse
andere Grundsätze ins Herz. Der Weher musste sein Geld zu-
sammenstreichen und heimwandern.
Den 8. Mai in der Abenddämmerung kam die Zeitung an.
Einen Blick hinein, und der Bauer fand, was er finden wollte:
Roggen 8 Taler. Da zitterten ihm die Glieder vor Freude.
Er nahm ein Licht, ging auf den Boden und wollte über-
sehen , wie viel er wohl verkaufen könne, und überschlagen,
wie gross seine Einnahme wäre. Indem er so durch die
Haufen und gefüllten Säcke hinschreitet, strauchelt er an
einem umgefallenen, fällt selber, das Licht fliegt ihm aus
der Hand und in einen Haufen Stroh, der daneben liegt.
Ehe er sich aber aufraffen kann, steht das Stroh in hellen
Flammen; ehe an Hilfe zu denken ist, hat das Feuer Dach-
stuhl und Dielen ergriffen. Um Mitternacht an demselben
Tage, wo der Scheffel Roggen 8 Taler galt, wo der Bauer
auf seinen Satz gekommen war und seinen Boden geöffnet
hatte, stand er am Schutthaufen seines ganzen Gutes als ein
armer Mann. Ahlfeld.
46. Der Lotse.
„Siehst du die Brigg dort auf den Wellen?
Sie steuert falsch, sie treibt herein
und muß am Vorgebirg zerschellen,
lenkt sie nicht augenblicklich ein.
Ich muß hinaus, daß ich sie leite!" -
„Gehst du ins offne Wasser vor,
so legt dein Boot sich auf die Seite
und richtet nimmer sich empor." —