1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und mannigfaltigere. Gerate aus Stein kommen in diesen Brand-
gräbern seltener vor, Waffen und Schmuck bestehen hauptsächlich aus
einer Mischung von Kupfer und Zinn, der sogenannten Bronze.
Aus der Zeit etwa vom Jahre 400 vor Christus ab hat sich aber
wenigstens in unserem Lande bis auf den heutigen Tag ein Brand-
hügel nicht mehr gefunden. In dieser Zeit hat auch das Eisengerät
das Übergewicht über die bronzenen Sachen erlangt. Der im 4. bis
5. Jahrhundert in unser Land eingezogene slavische Stamm der Sorben
änderte die bisherige Begräbnisweise nur insofern, als er seine noch
härter gebrannten Gefäße fast nie mehr einem Toten beisetzte und sehr
selten nur einen Ring von Bronze, Blei oder Silber beigab. Oft
zeigt auch jetzt anstatt eines Hügels nur ein einzelner Stein noch die
Stelle einer Beerdigung an; daher ist da, wo die Gebeine vermorscht
sind und der Pflug die Oberfläche vollends geebnet hat, das Vorhanden-
sein eines Begräbnisplatzes kaum noch nachzuweisen.
Die Art und Weise, in welcher die alten Deutschen ihre Toten
begruben, hängt genau mit den Vorstellungen zusammen, welche sie
sich von dem Leben nach dem Tode machten. Alle Braven und im
ehrlichen Kampfe Gefallenen kamen nach Walhalla, einer großen, schönen
Stadt mit 548 Toren. In ihrer Mitte steht ein glänzender Gold-
palast, der bis in die Wolken reicht. Täglich reiten die Helden hinaus
vor die Tore der Stadt und haben ihre Freude an großen Kämpfen.
Sie durchbohren sich mit den Spießen, spalten sich die Köpfe und
hauen so gewaltig aufeinander los, daß Arme und Beine umherfliegen.
Ist der Kampf zu Ende, so holt sich jeder seinen Arm oder sein Bein
oder seinen halben Kopf wieder, und alle reiten gesund und munter
nach Walhalla zurück. Hier ergötzen sie sich an dem festlichen Mahle,
bei welchem aus den Hörnern des Ur und aus den Schädeln der auf
Erden erschlagenen Feinde Met getrunken und das Fleisch eines riesigen
Ebers gegessen wird, an welchem das beste ist, daß über Nacht alles
wieder an- und nachwächst, was bei dem Mahle von ihm abgeschnitten
wurde.
Auf den Steinen und Kreuzen der Christengräber lesen wir den
einen oder den anderen Bibelspruch. Was steht in unsichtbarer und
doch leserlicher Schrift auf diesen Heidengräbern? „Alles Fleisch ist
wie Gras und alle Herrlichkeit der Menschen wie des Grases Blume"
und: „Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben
und ein unvergänglich Wesen ans Licht gebracht" und: „Herr, lehre
uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden!"
Nach Eisel.