1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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in dem rauhen Waldgebirge daher. Der Sturmwind brauste; der
Boden war von dem Regen ganz durchweicht. Die meisten mochten
sich wohl in ihrem Herzen weit weg aus diesen Wildnissen wünschen.
Da kamen plötzlich aus dem Dickichte des Waldes, von allen Höhen
und aus allen Schluchten die Scharen der Deutschen, die solche Wege
und solches Wetter gewohnt waren, hervor und schleuderten ihre scharfen
Wurfspeere gegen die erschrockenen Römer. Diese ordneten sich, so gut
sie es in den unwegsamen Gegenden konnten, nahmen das Gepäck und
den Troß in die Mitte und verteidigten sich. Aber die Sehnen der
Bogen waren vom Regen erschlafft, die übrigen Waffen auch größten-
teils verdorben; auf dem schlüpfrigen Boden konnten sie in ihren
schweren Harnischen keinen festen Fuß fassen und den Deutschen über-
haupt wenig Schaden zufügen. Viele von ihnen sanken ermattet und
verwundet zu Boden.
Am Abend endlich gelang es ihnen, einen Platz zum Lager zu
finden und sich zu verschanzen, so daß sie doch einige Stunden aus-
ruhen konnten. Am anderen Morgen aber mußten sie weiter. Ihre
einzige Hoffnung war, sich bis zu ihren festen Plätzen, wo noch Be-
satzung lag, und so weiter bis an den Rhein durchzuschlagen; und wirklich
kamen sie auch in eine etwas freiere, ebenere Gegend, in der sie ge-
schlossene Reihen bilden und die Angriffe der Deutschen besser abwehren
konnten. Allein das dauerte nicht lange, bald ging ihr Weg wieder in
den schrecklichen Wald. Nun griffen die Deutschen mit neuer Wut an,
erschlugen eine Menge und jubelten laut, daß der Römerhaufen immer
kleiner und kleiner wurde. Noch einmal versuchten diese ein Lager
aufzuschlagen und Wall und Graben auszuwerfen; aber die Deutschen
ließen ihnen nicht Zeit dazu. Mit doppelter Anstrengung und hellem
Schlachtgesange stürmten sie von allen Seiten heran. Der Feldherr
Varus verlor gänzlich den Mut und stürzte sich, nachdem er schon
mehrere Wunden empfangen hatte, in sein eigenes Schwert. Viele der
Anführer taten dasselbe, keiner widerstand mehr. Die Deutschen hatten
nichts weiter zu tun, als die Ermatteten und Fliehenden niederzumachen
oder gefangen zu nehmen. Nur wenigen einzelnen Römern gelang es,
in der Dunkelheit der Nacht zu entkommen und, durch glückliche Um-
stände begünstigt, zu den festen Plätzen zu entfliehen, wo sie ihren Lands-
leuten die traurige Botschaft von dem Untergange des Varus mit seinem
ganzen Heere verkündeten.
Dieser glückliche und herrliche Sieg, der unserem Vaterlande Freiheit
und Selbständigkeit brachte, war im Jahre 9 nach Christi Geburt im
Teutoburger Wald erfochten worden. Armin begnügte sich aber nicht