1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Zug non gewappneten Rittern daher gezogen, stolz zu Roß. Der
Knabe sieht mit Lust die blinkenden Helme und Harnische, die glänzenden
Speere und die hohen Reitersleute an. Die aber biegen plötzlich von
der sich krümmenden Straße ab und kommen querfeldein auf die Stelle
zugeritten, wo er das Vieh weidet; und das Feld ist doch keine Straße,
und es gehört doch seinem Vater. Er besinnt sich kurz, geht kühn aus
die Ritter zu, stellt sich ihnen in den Weg und ruft ihnen entgegen:
„Kehrt um, die Straße ist euer, das Feld ist mein!" Ein hoher Mann,
auf dessen Stirn ein majestätischer Ernst thront, reitet an der Spitze
des Zuges und sieht verwundert den Hirten an, der es wagt, ihm
entgegenzutreten. Er hält sein Roß zurück und hat seine Freude an
dem mutigen Knaben, der so kühn und furchtlos seinen Blick erwidert
und nicht vom Platze weicht. „Wer bist du, Knabe?" — „Ich bin
Hermann Billungs ältester Sohn und heiße auch Hermann, und dies
ist meines Vater Feld; ihr dürft nicht hinüberreiten!" — „Ich wills
aber, Knabe," erwidert der Ritter mit drohendem Ernst; „weiche, oder
ich stoße dich nieder!" Dabei erhebt er den Speer. Der Knabe aber
bleibt furchtlos stehen, sieht mit blitzendem Auge zu dem Ritter hinauf
und spricht: „Recht muß Recht bleiben, und Ihr dürft nicht über das
Feld reiten, Ihr reitet denn über mich hinweg!" — „Was weißt du
vom Rechte, Knabe?" —- „Mein Vater ist der Billung; vor einem
Billung darf niemand das Recht verletzen!" — Da ruft der Ritter
noch drohender: „Ist denn das recht, Knabe, daß du deinem Könige
den Gehorsam versagest? Ich bin Otto, dein König!" — „Ihr seid
Otto, unser König, Deutschlands Hort und der Sachsen Zierde, von
dem mein Vater uns soviel erzählt? Otto, Heinrichs des Sachsen
Sohn? Nein, Ihr seid es nicht! Der König schützt das Recht, und
Ihr brecht das Recht! Das tut Otto nicht, sagt mein Vater!" —
„Führe mich zu deinem Vater, braver Knabe!" antwortete der König,
und eine ungewöhnliche Milde und Freundlichkeit erglänzte auf seinem
ernsten Angesicht. — „Dort ist meines Vaters Hof, Ihr könnt ihn
sehen," sagte Hermann; „aber die Rinder hier hat mein Vater mir
anvertraut; ich darf sie nicht verlassen, kann Euch also nicht führen.
Seid Ihr aber Otto, der König, so lenket ab vom Felde auf die Straße;
denn der König schützt das Recht!"
Und der König Otto, der Große genannt, gehorchte der Stimme
des Knaben, denn der Knabe hatte recht, — und reitet zurück auf die
Straße. Bald aber wird Hermann vom Felde heimgeholt; denn der
König ist bei seinem Vater eingekehrt und hat zu ihm gesagt: „Billung,
gib mir deinen ältesten Sohn mit! Ich will ihn bei Hofe erziehen