1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Jetzt eilte Heinrich der Unglückliche selbst herbei, um seine Haupt-
stadt zu schützen. Seine ehrwürdige Mutter brachte er zu größerer
Sicherheit auf Schloß Osterstein. Auch Friedrich der Sanftmütige er-
schien und lagerte sich mit seinen Truppen links der Elster von Debsch-
witz bis zum Heersberg oberhalb Lusan; er wagte aber nicht, das
weit stärkere Heer seines Bruders anzugreifen, auch schlugen alle feine
Bemühungen, diesen von der Stadt abzuziehen, gänzlich fehl. —
Am 15. Oktober gab Wilhelm den Befehl zum Sturm. Die
Böhmen unter Georg Podiebrad und die Brandenburger unternahmen
den ersten Anlauf, wurden jedoch mit blutigen Köpfen zurückgeworfen.
Fast entsank ihnen der Mut; da versprach Georg Podiebrad seinen
Scharen volle Freiheit zum Plündern. Noch waren die Verteidiger
auf einen neuen Angriff nicht vorbereitet, als die wilden Horden,
rasend vor Wut, abermals gegen die Mauern heranstürmten. In der
Nähe des (alten) Schlosses wurden diese zuerst erstiegen, dann auch
an anderen Orten; die Tore wurden gesprengt, und wie eine wilde
Flut ergoß sich die blutdürstige Schar in die unglückliche Stadt. Ein
heftiger Straßenkampf entbrannte, aber er endete nur mit der Gefangen-
nahme des letzten Häufleins der Verteidiger.
Und nun traf die Stadt ein Schicksal, wie es furchtbarer nicht
gedacht werden kann. Weder Kind noch Greis, weder Mann noch
Weib fand Erbarmen vor den entmenschten Siegern. Keine Feder
vermag die Schreckensszenen zu schildern, von denen alle Häuser und
Straßen erfüllt waren. Draußen aber auf der Höhe des Heersberges
stand Kurfürst Friedrich der Sanftmütige und sah tatenlos dem ent-
setzlichen Schauspiele zu. Wohl sandte er 800 Reiter unter Kunz von
Kauffungen und Nikolaus Pflugk an die Stadt heran; aber was ver-
mochte dieses Häuflein gegen den Schwarm der Feinde! Ihre An-
führer wurden gefangen genommen, die übrigen ergriffen die Flucht.
Die Stadt war rettungslos verloren. Schon standen das Schloß und
mehrere Straßen in hellen Flammen. An 3000 Menschen hatten sich
in die St. Johanniskirche geflüchtet und hofften, hier sicher zu sein.
Wie bitter sahen sie sich getäuscht! Die rohen Horden fragten nichts
nach der Heiligkeit des Ortes. Sie erbrachen die Tore, und bald
hallte das Gotteshaus wider von tausendstimmigem Jammergeschrei.
Die beklagenswerten Opfer tierischer Mordlust wurden ausgeplündert
und hingeschlachtet oder von den Einporen, ja sogar vom Turme herab-
gestürzt. Dann legte man Feuer an, und was etwa noch atmete in-
mitten des Haufens zuckender Menschenleiber, das fand seinen -voö
unter stürzenden Balken, Oualm und züngelnden Flammen. Einem