1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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zurauschen, werden die riesenhohen Tannen zum Rheine befördert und
auf diesem bis in die Niederlande geflößt, für welche der Schwarzwald
seit Jahrhunderten ein unerschöpfliches Holzmagazin ist. Ehe man aber
die Stämme der Kraft des Wassers überlassen kann, muß das Holz von
den Höhen der Berge erst herabgeholt werden. Dies wird entweder
durch Zugtiere oder durch Menschenhand mittelst Schlitten oder auf den
sogenannten Riesen bewerkstelligt; das sind Rinnen, in welchen die ge-
fällten Stämme und das Scheitholz pfeilschnell in das Tal und zu-
weilen bis zum Flußwasser niederschießen.
Außer den großen Mengen von Holz, die auf Flößen den Rhein
hinabgehen, wird auch im Schwarzwalde selbst viel Holz verarbeitet.
Beträchtliche Mengen hölzernen Gerätes sendet der Wald in die breis-
gauischen, schwäbischen, ober- und niederrheinischen Wirtschaften und
Haushaltungen. Das hackt und bohrt und klappert, wenn man durch
den Wald fährt, daß man meint, in die Werkstätte unermüdlicher Zwerge
gekommen zu sein. Auch Glashütten und Hammerschmieden
trifft man in jedem Waldbezirke, besonders an den Ufern der Alb,
Wutach und Haslach. Hier und da liegt in dunkler, schweigender Ein-
samkeit eine Terpentinschwelerei oder eine Pechhütte, deren
gerade aufsteigende Rauchsäule weithin ihre strengen Dünste verbreitet.
Dort, wo der Bach hastig hinabjagt, lugt aus dem tiefen Grün die
Hütte des Holzflößers. Das Haus des Wäldlers ist von Holz, mit
Stroh oder Schindeln gedeckt. Die Stuben zu ebener Erde sind schwarz
getäfelt, mit vielen Fenstern versehen, doch ohne darum viel Licht zu
haben, wegen des weit vorspringenden Daches. Keine Hütte ist ohne
plätschernden Brunnen, und nicht selten steht eine Kapelle daneben mit
einem Glöckchen zum Morgen- und Abendgebete. Aber schon beginnt
diese Einsamkeit zu schwinden. Eine kühne Eisenbahn schneidet bereits
quer durch den Schwarzwald, und im engen Dreisamtal und durch
den Höllenpaß keucht mühsam der mit einem Znhnrade versehene Dampf-
wagen aufwärts.
Unter der Gewerbtätigkeit des Schwarzwaldes verdient die Uhr-
macherei besondere Erwähnung. Vor etwa zweihundert Jahren soll
einmal ein Schwarzwälder Glashändler eine hölzerne Stnndenuhr ans
der Fremde mit nach Hause gebracht haben. Alles staunte das kleine
Kunstwerk an; zwei Männer aber, der eine ein Schreiner, der andere
ein Bauer, meinten, daß sie dergleichen auch zu stände bringen könnten.
Das gelang ihnen; ihr Beispiel fand Nachahmung, und bald nährte die
neue Arbeit eine große Menge Menschen. Man wußte den Uhren des
Schwarzwaldes durch glückliche Erfindungsgabe besondern Reiz zu