1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
248
Löffel in die Schüssel, dann kommt der Schlittner und dann erst der
Lehrjunge. Legt der Meister seinen Löffel zur Seite, so tun es die
anderen auch. Der Junge reinigt darauf den Napf und die Löffel,
trägt Holz für die Nacht zur Feuerstätte und begibt sich mit den übrigen
zur Ruhe. Der Köhlermeister aber macht noch die Runde von Meiler
zu Meiler und beobachtet prüfend den Brand, ehe er als der letzte sein
Lager aufsucht. Nach Gude.
170. Brockenreise.
Die Sonne ging auf. Die Nebel flohen wie Gespenster beim
dritten Hahnenschrei. Ich stieg wieder bergauf und bergab, und vor
mir schwebte die schöne Sonne, immer neue Schönheiten beleuchtend.
Der Geist des Gebirges begünstigte mich ganz offenbar und ließ mich
diesen Morgen seinen Harz sehen, wie ihn gewiß nicht jeder sah.
Aber auch mich sah der Harz, wie mich nur wenige gesehen; in meinen
Augenwimpern flimmerten ebenso kostbare Perlen wie in den Gräsern
des Tales. Morgentau feuchtete meine Wangen, die rauschenden
Tannen verstanden mich, ihre Zweige taten sich voneinander, be-
wegten sich hinauf und herab, gleich stummen Menschen, die mit den
Händen ihre Freude bezeigen, und auch in der Ferne klangs wunder-
bar geheimnisvoll wie Glockengeläute einer verlorenen Waldkirche. Man
sagte, das seien die Herdenglöckchen, die im Harz so lieblich, klar und
rein gestimmt sind.
Nach dem Stande der Sonne war es Mittag, als ich auf eine
solche Herde stieß, und der Hirt, ein freundlicher, blonder, junger Mensch,
sagte mir, der große Berg, an dessen Fuß ich stünde, sei der alte, welt-
berühmte Brocken. Viele Stunden ringsum liegt kein Haus, und ich
war froh genug, daß mich der junge Mensch einlud, mit ihm zu essen.
Wir setzten uns nieder zu einer Mahlzeit, die aus Käse und Brot be-
stand ; die Schäfchen erhaschten die Krumen, die lieben, blanken Küh-
lein sprangen um uns herum, klingelten schelmisch mit ihren Glöckchen
und lachten uns an mit ihren großen, vergnügten Augen.
Wir tafelten recht königlich, nahmen darauf recht freundschaftlich
Abschied, und fröhlich stieg ich den Berg hinauf. Bald empfing mich
eine Waldung himmelhoher Tannen, vor denen ich in jeder Hinsicht
Respekt habe. Diesen Bäumen ist nämlich das Wachsen nicht so ganz
leicht gemacht worden, und sie haben es sich in der Jugend sauer
werden lassen. Der Berg ist hier mit vielen großen Granitblöcken
übersäet, und die meisten Bäume mußten mit ihren Wurzeln diese Steine
umranken oder sprengen und mühsam den Boden suchen, woraus sie