1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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banden eben nicht lang. Tast zu früh endigt der Wald, und
wir sehen schon die Bauden von ferne. Wir nahen uns der
höchsten, und bald befinden wir uns nach einer anderthalb-
stündigen Fahrt an der Stelle, wo wir mit einem Fusse auf
preussischem und mit dem anderen auf Österreichischem Gebiete
stehen können. Nach und nach findet sich die ganze Gesellschaft
zusammen, in welcher nur ein Gefühl, das der ungetrübtesten
Freude, lebt. Der Baudenwirt erquickt die ihm willkommenen
Gäste mit Speise und Trank, holt seine besten Ungarweine her-
bei und nimmt auf Verlangen die Herrengesellschaft auch mit
in seinen Keller hinab, in dem sie den edlen Rebensaft an der
Quelle prüfen können. Böhmische Musikanten spielen nach
Tische lustige Stückchen auf, und bald bewegt sich die ganze
Gesellschaft ohne Ausnahme zum lustigen Tanze.
Doch nicht lange dauert diese gemeinschaftliche Fröhlich-
keit, denn schon neigt sich die Sonne dem Untergange zu. Bald
ist sie verschwunden, und an ihrer Statt erhebt sich im Osten
ein glühender Feuerball, der Mond, empor, denn wir wählten
ja eine Vollmondsnacht zu unserer Lustfahrt. Mit stummer
Andacht begrüssen wir dieses schöne Gestirn, das sein zauberisches
Licht zitternd über die ruhige Winterlandschaft ausgiesst.
Doch sein Erscheinen ist auch das Zeichen zum Aufbruche.
Die Gesellschaft macht sich zur Heimkehr fertig, und diese ist
der Höhepunkt der ganzen Vergnügungsreise. Jedes Mitglied
nimmt einen kleinen Handschlitten in Beschlag, auf den sich
vornhin etwas tiefer der Lenker setzt. Man denke sich die
Lust, wenn 20—30 Personen sich so einzeln zur Niederfahrt
vorbereiten. Nun gehts endlich los; immer ein Schlitten nach
dem anderen saust pfeilschnell den steilen Abhang hinab. Oft
scheint es, als könne man ohne einen gebrochenen Hals nicht
davon kommen, aber es ist eben nur Schein; mit sicherer Hand
steuert uns der erfahrene Schlittenlenker ins Tal hinab. Wer,
fremd und unbekannt, Zeuge einer solchen beim Mondenscheine
unternommenen Fahrt wäre, dem möchte es wohl für den ersten
Augenblick gespensterhaft und unheimlich vorkommen; es könnte
ihm scheinen, als ob der Berggeist selbst mit seinen Genossen
hier in seinem Bezirke dahinjagte.
Nach 15—20 Minuten, mitunter noch früher, ist die grosse
Strecke von der Grenzbaude bis Schmiedeberg zurückgelegt.
Ein Schlitten nach dem anderen kommt bis an den Gasthof
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