1908 -
Altenburg
: Bonde
- Autor: Jungandreas, R., Runkwitz, Karl
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Stunden, oft nur Minuten, war es eine Wüste von Lavablöcken
und Felstrümmern, der Schauplatz trostloser Verheerung, auf dem
selbst die Grenzmarken des früheren Besitztums nicht mehr zu er-
kennen sind.
Der Schwefel- und Kohlendampf wurde immer lästiger und die
Hitze der Lava schon fühlbar; endlich standen wir plötzlich vor dem
langsam heranrückenden Lavawalle. Die Vorstellung, die man sich von
einem Lavastrome macht, trifft wenig mit der Wirklichkeit zusammen. Die
Lavaflut ist nicht eine feurige, fließende Masse, sondern ein 5 bis 9 Meter
hoher Steinwall, gebildet teils aus schwarzen, teils aus dunkelrot glühenden
Felsblöcken. Und dieser Wall, welcher von der am Boden hinkriechenden
flüssigen Lava getragen wird, rückt nun sichtlich, ungefähr Vs bis 1 Meter
in der Minute, auf uns zu.
Fortwährend lösen sich einzelne mächtige, glühende Blöcke von dem
Gipfel des Walles ab, stürzen mit Getöse herunter und setzen alles,
was in ihrem Wege steht, augenblicklich in Helle Flammen. Zuweilen
klafft in dem vordrängenden Felsenwalle plötzlich ein großer Schlund
auf, und eine feurige Lavaglut schießt, wie das flüssige Erz bei einem
Glockengüsse, brausend hervor, entzündet, was sie berührt, und wird,
schnell zu Lavablöcken erkaltend, mit der übrigen Masse vorwärts
geschoben. Es ist ein Anblick, so gewaltig und überraschend, so neu
und überwältigend, daß man nur sprachlos staunend dastehen, das
Großartige und Wunderbare der Erscheinung aber nicht mit Worten
beschreiben kann.
„Kommen Sie," rief mir mein Begleiter zu, „kommen Sie, in
drei Minuten wird das Haus des Pfarrers von der Lava überflutet
werden!" Wir eilten durch den immer dichter werdenden Rauch und
die unerträgliche Hitze, die uns die Haut im Gesicht aufzog, längs der
Lavaglut bergaufwärts.
Wir erreichten endlich den großen Weinberg des Pfarrers, in dessen
Mitte das stattliche, auch schon ganz ausgeräumte Pfarrhaus lag. Der
alte Pfarrer bemühte sich, mit Hilfe einiger Männer die Weinpfähle
abzureißen, um wenigstens diese als Brennholz zu retten. Sein schwarzer
Hund, ein kluges, treues Tier, lief immer ängstlich bellend zu dem
verlassenen Hause hin, dem ein 8 Meter hoher Lavawall schon bis
aus 10 Meter nahe gerückt war, und dann wieder zu seinem Herrn
zurück, an dem er bellend aufsprang, als wollte er ihn vor der heran-
nahenden Gefahr warnen. Der Pfarrer hatte sich soeben wehmütig
nach dem Hause gewendet, an dessen dicken Steinmauern sich die Lava-
blöcke immer höher aufdämmten; — er betrachtete das Heimwesen, in
6. Iv. R, io