1876 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Lange, Karl, Weber, Hugo, Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
18
Und sieh, der Festung Wälle
umzuckt es Blitz auf Blitz,
und seine Eisenbälle
hersandte das Geschütz.
Der Herzog an die Lippen
setzt schon des Bechers Rand,
doch eh’ er konnte nippen,
entfuhr das Glas der Hand.
Des Weines Tropfen spritzten
um Kinn und Bart und Mund,
des Bechers Scherben ritzten
die blasse Wang’ ihm wund.
Und der noch nie gezittert
in heisser Schlachten Glut,
ein Glas, vom Schuss zersplittert,
brach ihm den kecken Muth.
Mit fragender Gebärde
blickt ihn der Marschall an;
der Herzog sah zur Erde,
bis düster er begann
„Mit Menschen wollt’ ich fechten
und hoffte Ruhm und Sieg,
doch mit des Schicksalsmächten
führt Friedland nimmer Krieg!
Abzieh’n wir von der Feste,
sobald der Morgen graut!“
Da rauscht es durch die Aeste
wie heller Jubellaut.
Noch steht die Herzogseiche»
Da sammelt jedes Jahr
im Schatten ihrer Zweige
sich froh der Bürger Schar.
Günther.
12. Die Zerstörung Magdeburgs.
Am 30. März 1631 erschien Tilly vor den Thoren Magdeburgs,
um von jetzt an die Belagerung der Stadt mit Eifer zu betreiben; aber
auch Gustav Adolf rückte mit seinem Heere der bedrängten Stadt immer
näher, und Tilly entsagte schon der Hoffnung, sich noch vor der Ankunft
der Schweden der Stadt bemeistern zu können, da noch keine Bresche
geschossen war und die Festungswerke kaum beschädigt waren. Er beschloß
schon, sein Lager aufzuheben, zuvor aber noch einen Generalsturm zu
wagen. An vier Orten zugleich sollte der Angriff geschehen; die ganze
Nacht zwischen dem 9. und 10. Mai wurde mit den nöthigen Anstalten
zugebracht. Alles war in Bereitschaft und erwartete, der Abrede gemäß,
früh um 5 Uhr das Zeichen mit den Kanonen. Dieses erfolgte aber
erst zwei Stunden später, indem Tilly, noch immer zweifelhaft wegen
des Erfolgs, noch einmal den Kriegsrath versammelt hatte. Pappenheim
wurde beordert, auf die neustädtischen Werke den Angriff zu thun; ein
abhängiger Wall und ein trockner, nicht allzu tiefer Graben kamen ihm
dabei zu Statten. Der größte Theil der Bürger und Soldaten hatte
die Wälle verkamen, und die wenigen Zurückgebliebenen fesselte der Schlaf.
So wurde es esem General nicht schwer, sogleich den Wall zu ersteigen.
Falkenberg, der Kommandant der Stadt, aufgeschreckt durch das
Knallen des Musketenfeuers, eilte von dem Rathhanse, wo er eben be-
schäftigt war, den zweiten Trompeter des Tilly abzufertigen, mit einer
zusammengerafften Mannschaft nach dem neustädtischen Thore, das der
Feind schon überwältigt hatte. Hier zurückgeschlagen, ffog dieser tapfere
General nach einer anderen Seite, wo eine zweite feindliche Partei schon
im Begriffe war, die Werke zu ersteigen. Umsonst ist sein Widerstand;
schon zu Anfange des Gefechts strecken die feindlichen Kugeln ihn zu Boden.
Das heftige Musketenfeuer, das Lärmen der Sturmglocken, das überhand
nehmende Getöse machen endlich den erwachenden Bürgern die drohende
Gefahr bekannt. Eilfertig werfen sie sich in ihre Kleider, greifen zum
Gewehr, stürzen in blinder Betäubung dem Feinde entgegen. Noch war