1876 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Lange, Karl, Weber, Hugo, Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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dm Oberbefehl über das Heer zu übernehmen habe. Am Morgen des
16. November (1632) deckte ein dichter Nebel die Gegend; erst gegen
neun Uhr brach die Sonne durch die Nebelhülle, und die Heere, die um
die Palme des Sieges ringen sollten, sahen einander. Während die
Schweden unter Trompeten- und Paukenschall das evangelische Kampfes-
und Siegeslied „Ein' feste Burg ist unser Gott" anstimmten, schwang
sich der König auf seinen Streithengst. Er trug ein leichtes ledernes
Koller. Auf die Bitte der Seinen, einen Waffenrock anzulegen, hatte
er, nach oben weisend, freudigen Muthes geantwortet: „Gott ist mein
Harnisch!" — Mit den Worten: „Nun wollen wir dran, das walte der
liebe Gott!" gab er das Zeichen zum Beginne der Schlacht. Langsam,
im Atlgesichte des brennenden Dorfes Lützen, das auf Befehl Wallenstein's
angezündet worden war, rückte das Heer des Königs, das zur Zeit der
Mehrzahl nach aus deutschen Kriegern bestand, gegen die Kaiserlichen
vor. Wallenstein, an einem Gichtansalle leidend, saß nicht zu Pferde,
sondern er leitete aus einer Sänfte die Schlacht. Nun braust wie Sturm-
wind — der König inmitten derselben — die schwedische blaue Reiterei
des rechten Flügels ans den Feind ein. Die Tapfern werden von einer
Kugelsaat aus versteckt gehaltenen Batterien empfangen. Zur Rechten
und zur Linken des Königs hält der Tod reiche Ernte. Dennoch geht
es vorwärts. Da stößt die Reiterei ans breite Grüben. Die Geschwader,
deren Ordnung schon aufgelöst ist, stutzen einen Augenblick. Dem Könige
wird sein Pferd erschossen, er schwingt sich auf ein anderes. Das Hinder-
niß, das die Gräben boten, wird überwunden, die feindliche leichte Reiterei
geworfen, ebenso Piccolomini's Kürassier-Regiment. Auch in der Mitte
des Heeres ist das Kampfesglück den Evangelischen hold; dagegen gewinnen
die Kaiserlichen Vortheile über den linken Flügel. Kaum vernimmt dies
der Köllig, so eilt er an der Spitze des gelben Regilnents den Bedrängten
zu Hilfe. Der Eifer reißt ihn weit voran; nur der Herzog von Lauen-
burg, der Edelknabe Leubesing und zwei Reitknechte sind bei ihm. Da
zerschmettert eine Kugel dem Könige den rechten Arm. Ein Reiter ruft:
„Der König blutet!" — „Es ist nichts," entgegnete er, — „folgt mir!"
Bald überzieht Tödesbläffe sein Gesicht. Einmal, weil er fühlt, daß er
sich nicht lange mehr werde im Sattel halten können, für's andere, um
den Nachfolgenden einen entmuthigenden Anblick zu ersparen, fordert er
den Herzog auf, ihn ans einem Umwege aus dem Getümmel zu führen.
Der Versuch wird gemacht, da aber die Luft erfüllt ist von Staub und
Pulverdampf, und da der Kamps in ein wildes Durcheinander ausgeartet
ist, geschieht es, daß sie unter feindliche Reiterschwürme gerathen. Ein
kaiserlicher Offizier schießt sein Pistol aus den König ab; die Kugel dringt
diesem in das Rückgrat ein. „Bruder," sagt nun der König zu seinem
Begleiter, „ich habe genug; suche dein Leben zu retten!" Der Herzog
verläßt den König, der wenige Augenblicke daraus vom Pferde sinkt, dabei
aber mit einem Fuße im Steigbügel hängen bleibt. Das Pferd wird
scheu und schleift den König ein Stück auf dem Boden entlang. Der
Edelknabe jagt ihm nach, springt, als der König am Boden liegen bleibt,
vom Pferde und bietet es ihm an. Indem der König vergebens Versuche
macht, sich aufzurichten, sprengen kaiserliche Reiter herbei, die, ohne den