1876 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Lange, Karl, Weber, Hugo, Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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es von einem Ende des Reichs bis zum andern, doch gebürte Berlin
der Vorrang; diese Stadt hat bewiesen, daß sie verdient, der Sitz ihrer
Herrscher zu sein. Freue dich deiner Ehren, wackre Stadt! Die alten
Unbilden sind vergessen. Ruhm und Glück werden wieder ihren Wohnsitz
bei dir aufschlagen. Ich sage nur das Eine: Es war plötzlich, wie durch
ein Wunder Gottes, ein großes und würdiges Volk erstanden.
So hat das preußische Volk sich offenbart; so sind die Wunder, die
uns Deutschen vom Guadalquivir und Ebro, vom Dniepr und von der
Düna verkündigt wurden, auch bei uns erneuet; so ist Gott und Gottes
Kraft und eine Begeisterung, die wir nicht begreifen können, auch unter
uns erschienen. Die Preußen hatten Fehrbellin und Hochstädt, Turin und
Malplaquet, sie hatten die Tage von Roßbach und Leuthen, die Schlachten
von Torgau und Zorndorf — sie haben nie Tage gehabt, wie die von
Groß-Görschen und von der Katzbach, von Dennewitz und von Leipzig;
denn sie haben nie vorher weder mit einem so großen Geiste, noch für
eine so große Sache das Schwert gezogen. Daß wir jetzt frei athmen,
daß wir fröhlich zu den Sternen blicken und Gott anbeten, daß wir
unsere Kinder wieder mit Freuden ansehen können, als die da künftig
freie Männer sein werden: — das danken wir nächst Gott diesen Be-
ginnern der deutschen Herrlichkeit; sie sind uns übrigen Deutschen, wie
verschiedene Namen wir auch führen mögen, die glorreichen Vertreter
und das erste Beispiel der Freiheit und Ehre geworden.
Arndt.
39. Lützow's wilde Zagd.
Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein, hör's näher und näher brausen?
Es zieht sich herunter in düstern Reih'n, und gellende Hörner schallen darein und
erfüllen die Seele mit Grausen. Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
Das ist Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Was zieht dort rasch durch den finstern Wald und streift von Bergen zu
Bergen? Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt; das Hurrah jauchzt und die Büchse
knallt, es fallen die fränkischen Schergen. Und wenn ihr die schwarzen Jäger
fragt: Das ist Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Wo die Reben dort glüh'n, dort braust der Rhein, der Wüthrich geborgen
sich mei da naht es schnell mit Gewitterschein und wirft sich mit rüstigen Armen
hinein uno springt an's Ufer der Feinde. Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer
fragt: Das ist Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Was braust dort im Thale die laute Schlacht, was schlagen die Schwerter
zusammen? Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht, und der Funke der Freiheit
fft glühend erwacht und lodert in blutigen Flammen. Und wenn ihr die schwarzen
Reiter fragt: Das ist Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht, unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht, doch die wackern Herzen erzittern nicht; das
Vaterland ist ja gerettet! Und wenn ihr die schwarzen Gefallnen fragt: Das war
Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Die wilde Jagd und die deutsche Jagd auf Henkersbrut und Tyrannen! —
Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt; das Land ist ja frei, und
der Morgen tagt, wenn wir's auch nur sterbend gewannen! Und von Enkeln zu
Enkeln sei's nachgesagt: Das war Lützow's wilde, verwegene Jagd.
Theodor Körner.