1876 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Lange, Karl, Weber, Hugo, Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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40. Körner an seinen Vater.
Wien, am 10. März 1813.
Liebster Vater! leb schreibe Dir dies Mal in einer Ange-
legenheit, die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe, Dich
weder befremden noch erschrecken wird. Neulich schon gab ich
Dir einen Wink über mein Vorhaben, das jetzt zur Reife ge-
diehen ist. — Deutschland steht auf; der preussische Adler er-
weckt in allen deutschen Herzen durch seine kühnen Flügel-
schläge die grosse Hoffnung einer deutschen, wenigstens nord-
deutschen Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande,
— lass mich ihr würdiger Jünger sein! — Ja, liebster Vater,
ich will Soldat werden, will das hier gewonnene glückliche und
sorgenfreie Leben mit Freuden hinwerfen, um, sei’s auch mit
meinem Blute, mir ein Vaterland zu erkämpfen. — Nenn’s nicht
liebermuth, Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei Jahren hätte ich
es so nennen lassen, jetzt, da ich weiss, welche Seligkeit in
diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glückes
in schöner Milde auf mich niederleuchten, jetzt ist es bei Gott
ein würdiges Gefühl, das mich treibt, jetzt ist es die mächtige
Ueberzeugung, dass kein Opfer zu gross sei für das höchste
menschliche Gut, für seines Volkes Freiheit. Vielleicht sagt
Dein bestochenes väterliches Herz: Theodor ist zu grösseren
Zwecken da, er hätte auf einem andern Felde Wichtigeres und
Bedeutenderes leisten können, er ist der Menschheit noch ein
grosses Pfund zu berechnen schuldig. Aber, Vater, meine Mei-
nung ist die: Zum Opfertode für die Freiheit und für die Ehre
seiner Nation ist keiner zu gut, wohl aber sind viele zu schlecht
dazu!
Dass ich mein Leben wage, das gilt nicht viel; dass aber
dies Leben mit allen Blütenkränzen der Liebe, der Freund-
schaft, der Freude geschmückt ist, und dass ich es doch wage,
dass ich die süsse Empfindung hinwerfe, die mir in der Ueber-
zeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst zu bereiten,
das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegengestellt
werden darf. — In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe ich
zu diesen freien Söhnen Preussens, die in schöner Begeisterung
sich zu den Fahnen ihres Königs gesammelt haben. Ob zu Fuss
oder zu Pferd, darüber bin ich noch nicht entschieden und kommt
einzig auf die Summe Geldes an, die ich zusammenbringe. —
Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit ihre grosse, edle Seele
bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte Feldzug wird
ihre Thränen schon trocknen. — Die Mutter soll mir ihren Schmerz
vergeben, wer mich liebt, soll mich nicht verkennen, und Du
wirst mich Deiner würdig finden.
Dein Theodor.
Vaterland Ii. ü. k