1875 -
Leipzig
: Siegismund u. Volkening
- Autor: Lange, Karl, Weber, Hugo, Jütting, Wübbe Ulrich, Schillmann, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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33. Soll werden seinem König gleich,
ein hohes Heldenbild;
soll führen die Färb' von manchem Reich
rn seinem Banner und Schild.
34. Soll greifen in manches Königs Tisch
mit seiner freien Hand;
soll bringen zu Heil und Ehre frisch
sein seufzend Mutterland!"
Uhland.
19. Roland's Tod.
(Sage.)
Nachdem der herrliche Kaiser Karl ganz Spanien sich unterworfen
und zum Glauben an Gott bekehrt hatte, zog er sich zurück und kam
nach Pampelona und ruhte dort einige Tage aus mit seinem ganzen
Heere. In Saragossa aber waren zwei sarazenische Könige, die Brü-
der Marsilies und Beligand, die der Sultan von Babylon dahin
geschickt hatte. Sie waren dem Kaiser Karl unterthänig geworden
und dienten ihm scheinbar in allen Stücken; aber sie meinten es nicht
ehrlich mit ihrer Treue und Anhänglichkeit an ihn. Da schickte der
Kaiser ihnen Ganelon zu, der zu den zwölf besten Mannen Karl's
gehörte, aber Untreue im Herzen trug, und ließ ihnen sagen, daß sie
sich taufen lassen oder ihm Tribut schicken sollten. Sie schickten ihm
dreißig Rosse mit Gold und Silber und feinen Gewändern beladen,
vierzig Rosse mit dem süßesten und reinsten Weine und ebenso viel
auch für die andern Kämpfer, und tausend schöne Maurinnen. Dem
Ganelon aber boten sie zwanzig Rosse mit Gold und Silber und
feinen Gewändern beladen, wenn er die Krieger Karl's in ihre Hand
liefern wollte. Darein willigte Ganelon und empfing den Lohn.
Nachdem sie dann alles wohl mit einander verabredet hatten, kehrte
Ganelon zu König Karl zurück und gab ihm die Schätze, welche die
maurischen Könige'ihrem Oberherrn darbrachten, und sagte dem Könige,
daß Marsilies Christ werden wolle und sich schon vorbereite, in's
Frankenreich zu Karl zu gehen, um dort bei diesem die Taufe zu em-
pfahen, und daß er dann Spanien vom Könige Karl zu Lehen em-
pfangen wolle. Karl schenkte den Worten Ganelon's Glauben und
schickte sich an, die Pässe der Pyrenäen zu übersteigen. Ganelon
gab ihm ferner den Rath, er sollte seinem Neffen Roland und dem
Grafen Oliver den Nachtrab übergeben, daß diese mit zwanzigtausend
Streitern im Thale Ronceval die Wacht hielten, bis Karl und das
ganze Frankenheer wohlbehalten hinübergekommen seien. So geschah
es. Aber einige aus dem Heere überließen sich zügellosem Leben und
allerlei Ausschweifungen, und dafür mußten sie bald den Tod erleiden.
Während Karl mit Ganelon und Erzbischof Turpin und vielen
Tausenden der christlichen Streiter die Pässe überstieg, hielten Roland
und Oliver mit ihren zwanzigtansend Kriegern treue Wacht. Aber
in der Frühe eines Morgens stiegen Marsilies und Beligand mit
fünszigtausend Kriegern von den Hügeln und aus den Schluchten, wo
sie sich auf Ganelon's Rath zwei Tage und zwei Nächte lang verbor-
gen gehalten hatten. Sie machten zwei Haufen, den einen von zwan-
zigtausend, den andern von dreißigtausend Kriegern, und als der größere
Haufe noch zurück war, griff der kleinere Haufe die Franken sofort