1908 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Schillmann, Hermann, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
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er die wilden Schwärme nicht mehr traf, legte er ein festes Lager an und
übte seine Soldaten. Als nun die Cimbern und Teutonen aus Spanien
wiederkamen, lagerte Marius an der Rhone und hütete sich wohl,
den fürchterlichen Feind anzugreifen; denn erst sollten seine Soldaten sich
an den Anblick der Barbaren gewöhnen. Da trennten sich die Bundes-
genossen, um ans verschiedenen Wegen in Italien einzufallen; die Cimbern
zogen nach Tirol, die Teutonen wollten über die Seealpen vordringen.
Mit wildem Ungestüm rannten die Teutonen wider das feste Lager des
Marius, um ihn zur Schlacht daraus hervorzulocken; aber da es ver-
gebens war, brachen sie aus und riefen im Vorbeigehen höhnisch den
Römern zu: „Wir ziehen nach Italien; habt ihr etwas an eure Weiber
und Kinder zu bestellen?" — Marius eilte ihnen nach; es war im Jahre
102 vor Christi Geburt. Nicht weit von der Stadt Aquä Sextiä trifft
er sie, wie sie im schönen Talgrunde an beiden Ufern eines Flusses Rast
halten, vergnügt und sorglos beim Schmause und im Bade. Es beginnt
eine fürchterliche Schlacht. Schon werden die Römer zurückgedrängt, da
fallen aus einem Hinterhalte römische Reiter den Teutonen in den Rücken,
und — diese sind verloren. Zu Tausenden sinken sie in ihr Blut, nur
wenige wurden gefangen. Die Weiber schlugen, grimmig vor Scham,
die Fliehenden und töteten sich selbst, um den Römern nicht in die
Hände zu fallen. Unter den Gefangenen war der Teutonen Herzog,
Teutoboch, ein riesiger Mann und so gewandt, daß er sechs Pferde zu
überspringen vermochte.
2. Indessen waren die Cimbern durch die Tiroler Alpen gezogen;
scherzend fuhren sie, auf ihren Schilden sitzend, von den schnee- und eis-
bedeckten Bergen hinab. Vor ihnen her flüchtete der römische Feldherr
Catulus mit seinem Heere bis an die Etsch. Hier verschanzte er sich
an beiden Ufern und schlug eine Brücke über den Strom. Da rissen
die Cimbern, wie zum Spiel, die stärksten Bäume aus, mit Wurzeln und
Erdreich daran, warfen sie in den Strom, mächtige Felsstücke dazu und
zertrümmerten die Brücke. Catulus floh. Die Cimbern sonnten sich behag-
lich im milden Italien und tranken sorglos vom süßen welschen Weine.
So vergingen der Herbst und Winter, der Frühling kam; aber die Kriegs-
gesellen, die Teutonen, kamen nicht. Plötzlich war Marius da. Die
Cimbern schickten Gesandte an ihn und verlangten Land für sich und ihre
Brüder. „Welche Brüder?" fragte Marius. — „Die Teutonen!" antwor-
teten sie. — „Denen ist schon ein Land angewiesen, welches sie nimmer
verlassen werden!" rief Marius lachend. Die Gesandten drohten ihm
wegen seines Hohnes und meinten, die Teutonen würden früh genug da
sein. „Meint ihr?" erwiderte Marius. „Nun ja, sie sind schon da, und
es wäre nicht hübsch von mir, wenn ich euch ziehen ließe, ohne euch eure
Brüder zu zeigen." Auf seinen Wink führte man Teutoboch und die
anderen Gefangenen in Ketten herein. Als die Kunde davon in das Lager
der Cimbern kam, war jedes Herz voll Wut und Rache, und Bo jo rix, der
Herzog, ritt vor das Lager des Marius und ries um Ort und Zeit zur
Schlacht. „Übermorgen bei Vercellä!" bekam er zur Antwort. Also