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1. 1 = 5. Schulj. - S. 208

1908 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
208 tdostte er nicht; das, meinte er, sei nur etwas für unbemittelte Leute. Daher hatte der Herr Adolf gar kein Geschäft als essen, trinken, schlafen, spazieren gehen oder reiten oder was ihm sonst noch einfiel. Ja, das Aus- und Anziehen war ihm viel zuviel, und er hielt sich einen Kammerdiener. Wenn er des Morgens erwachte, wußte er eigentlich gar nicht, warum er aufstehen sollte; es warteten kein Geschäft und keine Freunde auf ihn. Darum blieb er auch fein liegen, bis ihm das zu beschwerlich war. Fast ging es ihm wie jenem Engländer, der aus purer Langeweile, um sich nicht mehr aus- und anziehen zu müssen, sich das Leben nahm. Das Nichtstun und die Ver- treibung der Langeweile sind eigentlich schon ein Selbstmord. Herr Adolf machte dann jeden Vormittag seinen Spaziergang, damit er den Nachmittag für sich frei und nichts mehr zu tun habe. Meist lag er auf dem Sofa, gähnte und rauchte. Dabei hatte er mitunter noch seine besonderen Gedanken. Jeder Mensch, dachte er, hat so eine Summe von Kraft mit auf die Welt bekommen, die für seine siebenzig Jährlein oder auch mehr ausreichen muß. Wenn ich also einen schweren Stuhl von einem Orte an den andern hebe, ist damit ein Stück von meiner Lebenskraft aufgewendet und verbraucht — drum laß ich's hübsch bleiben. Auf solche Gedanken kann ein Nichtstuer kommen! Der Herr Adolf ward aber dick und kränklich und mußte seinen Leib pflegen. Das war auch noch ein Geschäft. Das Jahr durch ging dem Herrn Adolf manch schönes Stück Geld durch die Hand, und dabei hatte er die besondere Liebhaberei, daß er bei jeder Goldmünze, die er ausgab, ein kleines, zierliches Kreuz unter die Nase des geprägten Herrschers machte. Er dachte wenig dabei, denn er hatte ja Geld genug; ihn kümmerte überhaupt nicht, wie's anderen Menschen erging, obgleich er manchmal aus angeborener Gutmütigkeit einem Armen etwas schenkte. Ich will nur einmal sehen, dachte er, ob nach langer Umher- wanderung in der Welt mir einmal wieder so ein Goldstück unter die Hände kommen wird. Da nun der Herr Adolf gar nichts war, so nahm er sich ernstlich vor, etwas zu werden, und er ward ein Reisender. Das ist noch immer ein Titel, wenn man sonst weiter nichts ist. Er reiste nämlich von einer Stadt in die andere, von einem Land ins andere und ließ sich's überall Wohlsein, und wo er etwas zu bezahlen hatte, da gab er die mit seinem Ordenskreuze gezierten Goldstücke hin. Noch nie aber war es ihm vor- gekommen, daß er eins wiedergesehen hätte. Endlich war er des Herum- reisens auf dem festen Lande müde, er verließ die Alte Welt und schiffte sich nach Amerika ein. Nun war der Herr Adolf noch etwas mehr als ein Reisender, er war sogar ein Auswanderer. Diesmal aber ging's gar schlecht auf der See, fünf Tage und fünf Nächte wütete ein gewaltiger Sturm; alles, was auf dem Schiffe war, mußte mit Hand ans Werk legen, aber alles vergebens, das Schiff ging unter, und nur der Beherztheit des Schiffshauptmanns gelang es, die Mannschaft und die Reisenden in eine Schaluppe zu retten. Nach zwei Tagen fürchterlichen Umherirrens und schrecklicher Hungersnot, in welcher viele starben, wurden die Verschlagenen von einem Kauffahrteischiffe aufgenommen und in den Hafen von Boston
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