1900 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 30
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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seinen Gefangenen über Land durch Schwyz in sein Schloss
Küssnacht führen.
Als sie nun auf dem See waren, da entstand ein so un-
gestümer Sturmwind, dass sie alle elend zu verderben meinten.
Da sprach der Diener einer zum Landvogt: „Herr, Ihr seht
Eure und unsere Lebensgefahr; nun ist der Teil ein starker
Mann und versteht sich gut darauf, mit einem Fahrzeuge umzu-
gehen; man sollte ihn jetzt in der Not gebrauchen.“ Sogleich
wandte sich der Landvogt an Teil mit den Worten: „Wenn du
dich getrauest, uns aus dieser Gefahr zu helfen, so wollt’ ich
dich deiner Bande entledigen.“ Der Teil gab zur Antwort: „Ja,
Herr, ich getraue uns mit Gottes Hilfe wohl zu retten.“ Also
ward er losgebunden, trat an das Steuerruder und fuhr redlich
dahin; doch lugte er allenthalben auf gute Gelegenheit zu ent-
rinnen. Und als er der Felsenplatte nahe kam, welche seitdem
den Namen Teilsplatte hat, ersah er seinen Vorteil und er-
munterte die Knechte, fest anzuziehen, bis sie vor jene Platte
kämen; denn dann hätten sie das Schlimmste überwunden. Also
kamen sie der Platte nahe. Da drückte er das Schiff mit
Macht an den Felsen, erraffte sein Schiesszeug, welches im
Schiffe beim Steuerruder lag, und that einen Sprung hinaus auf
die Platte; das Schiff aber stiess er mit Gewalt weit hinter sich
in den See zurück. Nun kletterte er den Berg hinauf und floh
durch das Land Schwyz bis auf die Höhe an der Landstrasse
bei Küssnacht, und wo dort eine hohle Gasse ist, verbarg er
sich im Gebüsch, den Landvogt erwartend. Dieser und seine
Diener kamen, mit genauer Not dem See entronnen, durch den
Hohlweg geritten. Teil hörte in seinem Versteck allerlei An-
schläge des Landvogts wider ihn, nahm seine Armbrust und
durchschoss den Vogt mit einem Pfeile, dass er tot vom Rosse
zu Boden sank. Hierauf entfloh Teil über das Gebirge gen Uri.
Das Volk aber freute sich überall, wo die That ruchbar wurde,
dass es seines schlimmsten Gewaltherrn entledigt war.
Nach Ferdinand Bäi'sler.
58. Eine Maienfahrt.
Am 1. Mai 1308 weilte der König Albrecht auf seinem Schloß
zu Baden im Aargau und wollte nach altem Landesbranche an
diesem Tage eine Maienfahrt halten. Man zog da wohl in den
grünen Wald, um den Mai heimzuholen, und schmückte sich ihm zu
Ehren mit bunten Kränzen. So ritt denn auch der König mit Fürsten
und Herren ans, und im Gefolge befand sich sein junger Brnders-
sohn Johann, der wegen unbefriedigter Erbansprüche dem königlichen
Oheim grollte. Nachdem Johann eben wieder vergeblich nm sein
Erbland angehalten hatte, saß man zum Mahle nieder. Als nun
Das Vaterland. 8