1900 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 30
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
143
\
3000 Stück Friedrichsd'or, und die Frau trug einen Korb mit frischer
Butter. Er sprach schlicht und einfach, nach der Sitte jener Leute
mit bedecktem Haupte und der Anrede Du also: „Gnädigster Herr!
Deine getreuen Unterthanen in der Weichselniederung haben mit
Schmerz erfahren, wie groß Deine Not ist, die Gott über Dich, Dein
Haus und Land verhängt hat. Das thut uns allen leid, und darum
sind unsere Gemeinden zusammengetreten und haben gern und willig
diese Kleinigkeit zusammengebracht. Von ihnen bin ich geschickt und
komme nun in ihrem Namen, unseren lieben König und Herrn zu
bitten, diese Gabe aus treuen Herzen wohlwollend anzunehmen. Wir
werden nicht aufhören, für Dich zu beten!" Die Bäuerin aber über-
reichte mit offenem, freundlichem Angesichte ihren Korb voll frischer
Butter der Königin mit den Worten: „Man hat mir gesagt, daß
unsere gnädige Frau Königin gute, frische Butter sehr liebt, und daß
auch die jungen Prinzen und Prinzeßchen gern ein gutes Butterbrot
essen. Diese Butter hier ist rein und gut aus meiner eigenen Wirt-
schaft, und da sie jetzt selten ist, so habe ich gedacht, sie würde wohl
angenehm sein. Die gnädige Königin wird auch meine kleine Gabe
nicht verachten; Du siehst ja so freundlich und gut aus; wie freue
ich mich, Dich einmal in der Nähe so sehen zu können!" — Solche
Sprache verstand die Königin; mit Thränen der Rührung im Auge
drückte sie der Bauernfrau die Hand, nahm das Umschlagetuch, das
sie gerade trug, ab und hing es der gutmütigen Geberin um mit den
Worten: „Zum Andenken an diesen Augenblick!" — Auch der König
nahm die Gabe treuer Liebe gern, quittierte aber über den Empfang,
und daß er späterhin reich und königlich vergalt, darf nicht erst ver-
sichert werden. — Als mehrere Jahre nachher den Abraham Nickel
das Unglück traf, durch Brand sein Wohnhaus nebst Ställen zu ver-
lieren, ließ der König das Gehöfte des Bauern besser, als es vorher
gewesen war, wieder herstellen. Die gute Gesinnung aber, welche
jene Gemeinde in Preußen zu jener Zeit bethätigte, hatte auf ihn
einen so tiefen und günstigen Eindruck gemacht, daß er, so oft von
diesen friedlichen und harmlosen Leuten die Rede war, ihrer immer
mit besonderem Wohlwollen gedachte. Eylert.
- 4. Vergeben, vergessen.
Friedrich Wilhelm Iii. war ein Freund schöner Blumen. Einst
hatte ihm seine Tochter, die Kaiserin von Rußland, eine seltene Blume
von herrlicher Farbenpracht und angenehmem Dufte geschenkt, die
der König von seinem Hofgärtner Fintelmann auf der Pfaueninsel
aufs sorgfältigste pflegen ließ. Er nannte diese Blume nach seiner
Tochter: „Meine liebe Charlotte". An drei Tagen in der Woche
durfte das Publikum die Pfaueninsel besuchen und die vielen herr-
lichen Gewächse und seltenen Pflanzen sehen und sich daran erfreuen.
Da bemerkte eines Tages der Hosgärtner zu seinem größten Schrecken,
daß die dem Könige so werte Blume abgepflückt war. Unruhig