1900 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 30
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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jetzt den „Hohen Zollern“, und der in der Burg wohnte, war
der Sohn des schwäbischen Grafen Bnrchard Ii. und nannte sich
Graf von Hohenzollern. Ein späterer Hohenzoller, Graf Fried-
rich Iii., war der treue Ratgeber des mächtigen Hohenstaufen-
kaisers Friedrich I, des Rotbarts, in allen Reichsangelegenheiten.
Er wurde von dessen Nachfolger, Kaiser Heinrich Vi., zum Burg-
grafen von Nürnberg eingesetzt. Seine beiden Söhne teilten sich
(1227) in das väterliche Erbe dergestalt, dass der ältere
das Burggrafentum Nürnberg und die Besitzungen der Hohen-
zollern in Franken (Ansbach und Bayreuth), der jüngere
die Grafschaft Hohenzollern mit den schwäbischen Gütern
erhielt. Aus der älteren (fränkischen) Linie gingen (seit 1415)
die Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, die späteren
Könige von Preussen, hervor, welche berufen wurden, die deutsche
Kaiserwürde zu erneuern. Die Burg Hohenzollern vererbte sich
bei der jüngeren (schwäbischen) Linie, den späteren Fürsten
von Hohenzollern-Hechingen und -Sigmaringen. Später verliessen
auch diese den alten Felsensitz und siedelten nach ihrem nahen
Schlosse zu Hechingen über. Im Laufe der Jahrhunderte geriet die
Burg in Verfall und wurde 1823 fast ganz abgebrochen. Nachdem
die Hohenzollerschen Lande durch Übereinkunft an Preussen
übergegangen waren, beschloss König Friedrich Wilhelm Iv. von
Preussen, an der Stätte, wo die Wiege seines Geschlechts ge-
standen, ein neues Schloss aufzurichten. König Wilhelm I. nahm
1867 auf dem Hohen Zollern die Schlüssel der wiedererstandenen
Burg in Empfang und feierte die Einweihung derselben. Nun
erhebt sich wieder auf dem Felskegel, umgeben von dem festen
Gürtel trutziger Mauern und Basteien, das wehrliche Haus der
Hohenzollern. Weithin erglänzen Wartturm und Zinnen; die Türme
und Erker der alten Kapelle mit ihren buntgemalten Spitzbogen-
fenstern leuchten von ferne. Mitten im Burghofe blüht eine alte
Linde. Über dem Burgthore liest man die Inschrift:
Zollern, Nürnberg, Brandenburg im Bund
bauten die Burg auf festem Grund. 1454.
Mich baut' Preussens starke Hand,
Adlertbor bin ich genannt. 1854.
Darüber sieht man den preussischen Adler mit dem hohen-
zollerschen Wappen im Brustschilde und dem Wahlspruche:
„Vom Fels zum Meer.“
Nur wenige Steine des alten Burggemäuers sind in das
neue Baudenkmal eingefügt worden; aber diese Steine erzählen
uns die denkwürdige Geschichte des wunderbaren Weges, welchen
die Hohenzollern durch die Jahrhunderte genommen, bis ihr
Wahlspruch, das „Vom Fels zum Meer“, erfüllt war, von dem
ersten „Zollre“, der die Burg auf dem St. Michaelsberge erbaute,
bis auf unsern gegenwärtigen deutschen Kaiser Wilhelm Ii. —