1900 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 30
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Seine Rüstung, seine Sporen legt er vor dem Bischof nieder,
feierlich ertönt der Segen und der fromme Chor der Lieder:
„Held der benedeiten Kirche, die den Löwen schuf zum Lamme,
Friede sei und Gottes Gnade dir und dem Wettiner Stamme!"
Adolf Böttger.
5. Die Entstehung des Freiberger Silberbergbaues.
Der größte Teil unsres Erzgebirges war am Anfang des 12. Jahr-
hunderts noch mit dichtem, wildem Walde bedeckt. Denn die Slaven, welche
die niedrigeren Gegenden unsres Vaterlandes besiedelten, scheuten sich, in
denselben einzudringen. Dort nun, wo das Gebirge schon merklich sich
zu verflachen anfängt, in der Gegend des heutigen Freiberg, wurde um das
Jahr 1170 zuerst Silbererz fündig. Das mag auf folgende Weise ge-
schehen sein.
Der Markgraf Otto von Meißen hatte im Thale der Mulde bei
Nossen ein Kloster, Namens Marienzelle (Altzelle), gegründet. Daselbst
wollte er mit all den Seinen einst begraben sein. Er schenkte ihm darum
800 Husen Landes, das weiter aufwärts am Flusse lag. Hier fanden die
Mönche, wahrscheinlich beim Roden des Waldes, reiche Silbergänge. Da
aber das Recht, Bergwerke anzulegen, dem Markgrafen zukam, so ließ er
sich die Orte, wo man den Silberfund gemacht, wieder abtreten und gab
dem Kloster dafür die Gegend um Roßwein. Nun begann da, wo jetzt
am linken Muldenufer die Ortschaften Tuttendorf, Berthelsdorf und der
älteste Teil von Freiberg, die Sächsstadt, liegen, ein reges Leben. Mit
Hacke und Schaufel grub man in die Tiefe, schürfte nach dem edlen Erz,
holte mit Seil und Kübel es aus der Grube und schmolz es in den Schmelz-
hütten. Die Kunde aber von den neuen Silbergruben rief bald zahlreiche
tüchtige Bergleute aus dem Harz herbei, zumal dort Heinrich der Löwe in
seinem Kampfe gegen den Kaiser Friedrich Barbarossa viele Gruben um
Goslar verschüttet hatte. Von allen Seiten kamen Einwanderer, die in
dem Gebirgswalde sich niederließen. So entstand um das Jahr 1190 ein
volkreicher Ort, den man die Stadt auf dem „freien Berge" oder Freiberg
nannte. Denn auf seinem Gebiete konnte jedermann nach edlen Metallen
schürfen und die gefundenen abbauen gegen eine Abgabe, die der Landes-
herr und Grundbesitzer empfingen. Auch erhielten die Bürger das Recht
oder die „Freiheit", sich selbst Richter zu wählen und durch sie ihre Streitig-
keiten schlichten zu lassen.
Der Ertrag der Silbergruben war so reich, daß die neue Stadt im
Jahre 1225 schon 5 Pfarrkirchen und ein Krankenhaus besaß. Nicht minder
mehrten sich die Einkünfte des Markgrafen Otto, der bald den Beinamen
des Reichen erhielt. Der Bergsegen setzte ihn in den Stand, manchen
Ort des Landes, wie Freiberg und Leipzig, mit starken Mauern zu
schirmen und sein Landgebiet zu vergrößern. Das Waldgebirge aber,
dem man so edle Schätze abgewann, wurde in der Folge das Erzgebirge
genannt. K. L. (Nach Heinrich Gebauer.)