1905 -
Hof a.S.
: Kleemeier
- Autor: Meister, Thomas, Heischmann, Otto
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
81 —
König Richard Löwenherz von England mit dem Kaiser ins Morgenland.
Zwijchen den Engländern und den Deutschen herrschte aber keine Eintracht.
Als man Akkon eroberte, pflanzte Herzog Leopold von Österreich sein
Banner zuerst auf den Zinnen der Stadt ans. Dies verdroß Richard; er-
ließ die Fahne herunterreißen und in den Kot treten. Zornig griffen die
Deutschen zu den Waffen um die Schnrach zu rächen. Allein die Eng-
länder waren in der überzahl; daher beruhigte Leopold feine Mannen
und führte sie aus Asien weg. Auch der König von Frankreich verließ
das Kreuzheer, weil er den Stolz und die Hoffart Richards nicht ver-
tragen konnte.
Der englische König kämpfte mm allein gegen die Tiirken und er-
warb sich dabei durch seine Tapferkeit den Namen „Löwenherz"; da jedoch
das Kreuzheer jetzt zu klein geworden war, mußte er iin Angesichte
Jerusalems umkehren. In Venedig stieg er ans Land und wollte als
Pilger verkleidet durch Deutschland reisen. Aber in Wien erkannte man
ihn und der Herzog Leopold, der die Beschimpfung seiner Fahne nicht
vergessen hatte, nahm ihn gefangen. Da sagte der Kaiser Heinrich Vi.
(Sohn Friedrich Barbarossas): „Nur ein Kaiser darf einen König ge-
fangen halten" und ließ sich Richard ansliefern. Er hielt den stolzen
Engländer in strenger Haft ans der Burg Trifels. Die Engländer sehnten
sich sehr nach ihrem König, wußten aber seinen Aufenthalt nicht.
Da sprach Blondel, der Lieblingssänger des Königs: „Ich will ihn
suchen!" Er knin nach Deutschland und hörte, daß auf der Burg Trifels
ein vornehmer Gefangener sitzeil solle. Da ihm der Zutritt verweigert
wurde, setzte er sich in der Nähe nieder und stimmte ein Lied an, welches
er einst gemeinschaftlich mit seinem Köllig gedichtet hatte. Als die erste
Strophe zll Ende ivar, saug eine Stimme ans dein Turm das Lied iveiter.
Ta rief Blondel: „O Richard, o nlein Köllig!" Null kehrte er eiligst in die
Heimat zurück und verkündigte den Aufenthaltsort Richards. Die Eng-
länder forderten darallf die Freiheit ihres Kölligs lind da der Kaiser-
Geld zl> eiilein Kriegszug nctcf) Italien brauchte, verlangte er ein Lösegeld
voll 300 000 Mark. Alsbald brachte das englische Volk die große Su>nnle
zllsaillinell nnb erlöste dadurch seinen König alls der Gefangenschaft.
61. Die geschichtliche Bedeutung der Burg Trifels.
Zur Zeit der Hohenstaufen war die Burg Trifels hällfig die Resideilz
der delitschen Kaiser und besonders Friedrich I. hiell sich gern dort auf.
über der Burgkapelle befalld sich der prachtvolle Marmorsaal, den der alte
Barbarossa erbalien ließ nnb bewohnte. Das Kreuzgewölbe nild die
Nischen der Kapelle gehören zll beit schönsten Überresten romanischer Ball-
kunst. In ihr bewahrte inan die Reichskteiilodien (Krone, Zepter, Reichs-
apfel, der goldene Rock, das Schwert Karls d. Gr. rc.) alif, mit deneil
jeder Kaiser bei der Kröilnng geschmückt wurde. Die Dornenkrone Jesu
und die hl. Lanze befanden sich ebenfalls hier. Ter Burgkaplan zeigte
diese Heiligtümer alljährlich dem gnftvbnienben Volke. Auch als Schatz-
kammer für ihreil eigenen Reichtum an Gold und Silber biente der Tri-
fels den Kaisern.
Traurige Tage aber verlebte Kaiser Heiilrich Iv. auf der Burg, als
er im Baliil war lind die Fürsten des Reiches von ihni abfielen. Nachdem
sich sogar der eigeile Sohil gegen ih>l aliflehilte, faild er nirgeilds Schlitz
und Erbarmeil als hinter den starken Mauern des Trifels.
Dem Sohile Barbarossas, Kaiser Heiilrich Vi., diente die Burg als
Realierlbuch 5. Kl. 6'