1894 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: ,
- Hrsg.: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Auflagennummer (WdK): 21
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ärzte ihn verloren gaben und keiner mehr etwas verordnen wollte. Und
doch war Alexanders Genesung eben jetzt sehr nötig; denn der persische
König, Darius Kodomannus, war mit einem großen Heere im Anmarsche.
Da entschloß sich sein treuer Arzt Philippus, ein gefährliches, aber ent-
scheidendes Mittel anzuwenden. Während er damit beschäftigt war, den
Trank zu bereiten, erhielt Alexander von seinem treuen Feldherrn Parmenio
einen Brief, in welchem dieser ihm schrieb: „Alexander, wenn dir dein
Leben lieb ist, so traue dem Philipp nicht; denn er ist von Darius be-
stochen, daß er dich vergifte!" — Alexander legte den Brief unter sein
Kopfkissen. Philipp trat herein mit ruhiger, freier Miene; mit fester Hand
reichte er Alexander den Becher, dieser nahm ihn mit der einen Hand.
während er mit der andern dem Philipp den Brief reichte. Während
Philipp las, trank Alexander ruhig die Arzenei. Der Arzt war entrüstet
über diese Verleumdung; doch Alexander suchte ihn zu beruhigen mit den
Worten: „Der Ausgang wird dich rechtfertigen." Wirklich stand Alexander
schon am dritten Tage wieder an der Spitze seines jubelnden Heeres. Unter-
dessen war Darius Kodomannus mit einem Heere von einer halben Million
herangerückt. Bei dem Städtchen Jssus trafen die Heere auf einander;
aber trotz der großen Überzahl wurden die Perser von den Macedoniern
geschlagen. Darius sprang aus seinem Wagen, ließ Mantel, Schild und
Bogen zurück, warf sich auf sein Pferd und jagte, ohne anzuhalten, Tag
und Nacht fort. Seine Mutter, seine Frau, zwei Töchter und ein Sohn,
das ganze Lager, voll von den größten Kostbarkeiten, sielen den Siegern in
die Hände. Die gefangene Familie des Darius brach in lautes Wehklagen
aus, weil sie glaubte, daß Darius erschlagen sei. Alexander aber tröstete
sie und gab ihnen die Versicherung, daß Darius noch lebe. Er behandelte
die hohen Gefangenen mit der größten Güte, als wäre die Familie eines
Freundes zu ihm auf Besuch gekommen. Darauf zog er längs der Meeres-
küste weiter, eroberte und zerstörte Tyrus, kam nach Palästina, wo ihm
der Hohepriester Jaddua mit allen Bewohnern Jerusalems in weißen
Kleidern entgegenging und ihm die Weissagungen Daniels (Kap. 8 u. 11)
vorlegte; dann kam er nach Ägypten und legte an der Mündung des Nils
eine Stadt an, die er nach seinem Namen Alexandrien nannte.
Jetzt erst wandte sich Alexander wieder nach Asien, um Darius zu
verfolgen. Er traf das persische Heer zwischen den Städten Arbela und
Gaugamela (in Assyrien). Die macedonischen Feldherren, erschrocken über
die ungeheure Macht der Perser, rieten am Abend vor der Schlacht Alexan-
dern, den Feind lieber in der Nacht anzugreifen. Alexander aber antwortete:
„Nein, stehlen will ich den Sieg nicht!" und legte sich sorglos zur Ruhe.
Am andern Morgen weckte ihn Parmenio und sprach: „Du schläfst ja so
fest, als wenn du schon gesiegt hättest!" „Glaubst du denn nicht", antwortete
Alexander, „daß wir schon so gut wie gesiegt haben, da wir den Darius
vor uns haben?" Der Kampf war sehr hitzig; die Perser fochten wie Ver-
zweifelte; doch Alexanders Kriegskunst siegte. Durch diesen Sieg wurde er
Herr des großen persischen Reichs. Der unglückliche Perserkönig war ge-
flohen; aber Alexander verfolgte ihn unablässig. Da kam er einst durch