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1. Vaterland und Weite Welt - S. 282

1894 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
282 Die Gefangenen wurden mit gezogenen Schwertern hineingetrieben und die Thür sofort hinter ihnen geschlossen. Unbeschreiblich waren die Schreck- nisse jener Nacht, wie sie die wenigen Überlebenden schilderten. Die Unglück- lichen schrieen laut um Erbarmen und suchten die Thür gewaltsam einzu- drücken — doch vergebens! Sie erhielten zur Antwort, man könne nichts thun ohne den Befehl des Nabob, dieser aber schlafe und dürfe nicht geweckt werden. Da steigerte sich die Verzweiflung der Gefangenen zum Wahnsinn. Sie warfen einander zu Boden, sie kämpften um einen Platz an den Fenstern. Ihre Qualen steigerten sich; sie rangen, sie tobten und flehten die Wache an, auf sie zu schießen. Doch diese hielt Lichter an die vergitterten Fenster und verlachte laut ihre Opfer. Allmählich legte sich der Tumult; man hörte nur noch leises Stöhnen und Wehklagen. Der Tag graute, der Nabob erwachte und ließ die Thür öffnen; es dauerte eine ganze Weile, bis die Soldaten den Überlebenden Bahn machen konnten, indem sie auf beiden Seiten die Leichen aufeinander häuften. Dreiundzwanzig hohlwangige, bis zur Unkenntlichkeit entstellte Männer wankten aus dem Leichenhause, die 123 Toten wurden sofort in eine Grube verscharrt. Nun bleibt die Thatsache diese, daß jene Männer, wenn auch das Klima, die großehitze Indiens, ihrequalen steigerte, dennoch an schlechter Luft starben. Das Atmen besteht bekanntlich darin, daß unsere Lungen blasebalg- artig Lust ausströmen und einziehen. Die Luft, welche wir einziehen, ist gute, frische Luft, die ausgeströmte ist schlechte, unreine. Einen Teil derselben haben die Lungen zurückbehalten und sie mit dem Blute vermischt. Wenn wir einen Menschen in einen Kasten einsperren, wo keine frische Luft ihn erreichen kann, so muß er dieselbe Luft immer und immer wieder einatmen. Nach und nach werden alle guten Bestandteile der Luft verbraucht, und es bleiben nur die schlechten zurück; der Mensch muß sterben wie jene Unglück- lichen in Calcutta. Wo nun verschiedene Menschen schlafen, reicht die Luft für die Dauer der Nacht auch nicht aus; sie sind also genötigt, dieselbe Luft immer und immer wieder einzuatmen, so daß diese bis zum Morgen ganz untauglich für die Lungen ist. Die Erwachenden erheben sich dann müde und ange- griffen, anstatt erfrischt und gestärkt, wie das sein sollte. Ein kräftiger Mann merkt das wohl nicht, doch schwächliche Frauen und namentlich Kinder leiden darunter, ohne sich davon Rechenschaft zu geben. Wie oft hört man die Klage: „Ich stehe ebenso müde auf, wie ich mich hinlegte!" — Oft mag der Grund dafür der sein, daß die Lungen eine ungenießbare Luft eingeatmet haben. Und wenn nicht, Gott Lob, Thüren und Fenster meist so schlecht schlöffen, so stände es hiermit schlimmer. Freilich gewöhnt man sich an die schlechte Lust und bemerkt sie kaum, so lange man selbst darin steckt, doch vermindert das ihre Schädlichkeit nicht. Wenn man aus einem ungelüfteten Schlafzimmer ins Freie tritt und dann wieder zu dem- selben zurückkehrt, da merkt man erst, wie schlecht die Atmosphäre ist. Reines Wasser, reine Luft, reine Haut, das sind die Haupt- bedingungen einer guten Gesundheit.
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