1879 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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2. Der Mensch erträgt den Hunger länger als den Durst. Wenn ihm
Wasser gereicht wird, so führt die Entziehung aller festen Speisen lang-
samer den Tod herbei; dagegen würde ein Mensch, der nur ganz trockene
Nahrung genöße, sehr bald verschmachten. Daher wenden wir das Wasser
nicht nur zur Bereitung unserer Speisen an, sondern wir genießen außer
diesen auch noch Getränke, und zwar entweder reines Wasser oder Flüssig-
keiten, welche, wie Most, Bier und Wein, sehr viel Wasser enthalten.
Ebenso nehmen die Thiere sehr wasserhaltige Nahrung oder neben festen
Speisen auch reines Wasser zu sich. Von den Pflanzen endlich ist es
jedermann bekannt, wie ihr Gedeihen durchaus an die Aufnahme von Wasser-
gebunden ist; durch Regen, durch Quellen, Bäche und Flüsse wird dieses
dem Erdboden und den Wurzeln der Pflanzen zugeführt. Alles dieses
Wasser, welches Menschen, Thiere und Pflanzen in sich aufnehmen, dient
ihnen zum Theile selbst als Nahrung; zum Theile löst es andere Nahrungs-
stoffe in sich auf und dient so dazu, diese Stoffe in die Säfte der lebenden
Geschöpfe überzuführen. Die Nahrung, welche die Pflanze aus dem Boden
aufsaugt, ist ganz in dem Wasser gelöst, das allmählich in die Spitzen
der Wurzeln eindringt.
3. Für das Leben der Menschen und Thiere reichen die Gewässer hin,
welche sich an der Erdoberfläche als Quellen, Bäche, Flüsse oder Meere
befinden. Aber die Pflanzen der Festländer müßten zugrundgehen,
wenn sie auf die fließenden Wasser der Erde allein angewiesen wären.
Ihr Bedarf an Wasser ist so groß, daß die Wasser des Himmels, Regen,
Schnee und Thau, nöthig sind, um jenes Bedürfniß zu befriedigen. Aus-
gedehnte Länderstrecken sind arm an Quellen, Bächen oder Flüssen; aber
die Wasser, welche vom Himmel herabfallen, rufen doch auf ihnen eine
reiche Entwicklung von Pflanzen hervor. Woher kommen die Wasser, welche
wir als Regen, Schnee, Hagel, Thau und Reif unterscheiden? Sind sie in
der Luft entstanden, oder hat die Luft sie irgend woher in sich aufgenommen?
4. Wer je dem Sieden des Wassers zugesehen hat, der weiß, daß hiebei
von der Oberfläche des Wassers Dämpfe aufsteigen. Dabei vermindert sich
die Menge des Wassers; und wenn das Sieden lange genug gedauert hat,
so findet man endlich gar kein Wasser mehr, das Gefäß ist völlig leer
und trocken. Aber auch ohne das Sieden erheben sich ähnliche Dämpfe
oder Dünste von allen größeren Wassermassen der Erde. Über Flüssen und
Seen schweben an vielen Abenden Wolken von Wasserdunst. Von den
Meeren steigen so viele Dünste aus, daß auf Inseln, namentlich der kälteren
Gegenden, die Luft sehr feucht und der Himmel häufig umwölkt ist. Kleinere
Seen und Flüsse trocknen durch diese Verdunstung in der warmen Jahres-