1879 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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bett. Man hatte weit zu gehen, bis man wieder einzelne, zerstreut
liegende Hütten sah. Aber ganze Rudel Wild liefen umher, daß einem
Weidmann das Herz darob lachen mochte. Damals hausten aber auch
noch Bären, Wölfe, Luchse in den deutschen Wäldern, kunstsinnige Biber
bauten sich ihre Häuser an Flüsse und Bäche, und Fischottern hielten mit.
Ren- und Elenthiere durchstreiften die Wälder, auf den Höhen wohnte
der Steinbock. Das größte und gefährlichste Thier war aber der Ur
oder Auerochs. Der soll nicht viel kleiner gewesen sein als ein Elephant
und von unglaublicher Stärke und Behendigkeit. Er stürzte auf Menschen
und Thiere los und konnte nicht gezähmt werden. Die alten Deutschen
hatten das Herz auf dem rechten Fleck; aber den Ur fiengen sie doch
selten in freier Jagd sondern meist in Gruben. Seine Hörner gehörten
zu ihren kostbarsten Gerüthen. Die Ortsnamen Ellwangen, früher Elchen-
wang, Wiesensteig, früher Wiesontessteige, Urach (Aurich), Rechberghausen,
Hirschau erinnern an den Elch d. h. Elenthier, den Wiesunt d. h.
Büffel, den Ur d. h. Auerochse, das Rech d. h. Reh und den Hirsch.
Außer obigen Thieren liefen auch ganze Herden wilder Pferde umher,
und Schwärme wilder Bienen führten da und dort ihre sinnige Haus-
und Staatswirthschaft.
Die Luft war wegen des Waldes und der Sümpfe meist nebelig und
rauh. Der Winter dauerte viel länger als jetzt und war härter. In
einem so feuchten Boden gediehen besonders gut die Rettiche, auch wilde
Spargeln, Rüben u. bergt.; Bohnen wurden fleißig gebaut, auch Roggen,
Haber, Gerste und Hanf. Von Obst war einheimisch der wilde Apfel
und die Waldkirsche. Vieh war fast der einzige Reichthum der Deutschen,
Milch, Wildbret und Fische ihre hauptsächlichste Nahrung. Ihr Brot
waren dünne Kuchen, welche am Feuer geröstet wurden. Aus Haber
kochten sie einen Brei. Butter verstanden sie zu bereiten; Käsemachen
aber lernten sie erst von den Römern. Geld kannten sie nicht.
2. So sah es vor etwa 2000 Jahren in Deutschland aus. Und was
ist nun im Laufe der Jahrhunderte aus diesem rauhen Lande geworden?
Der Boden ist jetzt fähig zu jeglichem Anbau. Unterhalb des ewigen
Schnees der Alpen dehnen sich die herrlichsten Weiden aus, von der
Wärme doppelt belebt, die an jenem wirkungslos vorübergieng. An den
kahlen Felswänden ziehen sich üppige Thäler hin. Anders sieht es wieder
gegen Norden aus. Neben Moor und Heide, die nur von der bleichen
Binse und von der Brombeerstaude belebt sind und menschlichem Fleiße
nichts gewähren als die magere Frucht des Buchweizens oder des Habers,
erfreuen das Auge des Menschen die kräftigsten Fluren, geeignet zu den