1879 -
Stuttgart
: Hallberger
- Autor: ,
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
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Sorge für das Hauswesen und Feld den Weibern und Greisen und sonst
den Schwächsten im Hause. Sie selbst sind unthätig." „Wunderlicher Wider-
spruch," fügt er hinzu, „daß ein und dieselben Menschen so sehr die Un-
thätigkeit lieben und doch die Ruhe hassen!" Sie liebten Schmausereien
und Trinkgelage, und ihr Gerstensaft durfte auch bei ihren öffentlichen Be-
rathungen nicht fehlen. Das Spiel liebten manche so leidenschaftlich, daß
sie darüber Hab und Gut und endlich gar ihre Freiheit verspielten. Sie
waren auch nicht die Pünktlichsten, wenn eine Volksversammlung zusammen-
berufen war, und ließen gerne auf sich warten, Fehler, wie deren leider heute
noch mancher im deutschen Blute liegt und doch endlich daraus vertrieben
werden sollte. Das Nemliche gilt von ihren oftmaligen Uneinigkeiten und
Fehden untereinander. Wenn keine Ursache zu Fehden war, so suchte man
sie bei anderen Stämmen. Greulich ist es zu sagen, daß sie dann Hirn-
schädel erschlagener Helden als Schale fassen ließen und bei ihren rohen
Festen Bier oder Most daraus tranken.
9. Daß unsere deutschen Voreltern bei allerlei löblichen Sitten und Ge-
wohnheiten doch auch so manche schlimme hegten, wird uns nicht wundern,
wenn wir bedenken, daß sie noch mehrere Jahrhunderte nach Christi Geburt
Heiden gewesen sind. Sie verehrten die Sonne und den Mond, ferner
Bäume, Hügel, Flüsse, Thäler; diesen oder vielmehr den unsichtbaren We-
sen, welche sie sich dabei dachten, opferten sie Pferde und andere Thiere.
Wodan, Donar und Zio, Frigga und Freia waren Hauptgottheiten der
alten Deutschen. Von Donar, dem Donnergott, soll der Donnerstag, von
der Freia, der Göttin der Ehe, der Freitag seinen Namen haben. Sie
unterhielten für ihre Götter heilige Haine. An den Opferstätten wurden
die Gaben der Erde, Erstlinge der Früchte, ungesäuerte Kuchen und Kessel
voll Bieres dargebracht. Doch waren die meisten Opfer blutig. Bei den
Franken und Alemannen wurden hauptsächlich Thierhäupter auf den Altar
gelegt, aus deren Gehirn die Priester weissagten; aber auch Menschenopfer
dauerten fort bis zur Einführung des Christenthums. Bei den Friesen
herrschte wie bei den heidnischen Bewohnern der Südseeinseln die unmensch-
liche Sitte, daß Mütter, welche etwa zu viele Kinder besonders eines Ge-
schlechtes zu haben glaubten, ein neugeborenes, ehe es Nahrung empfangen
hatte, den Göttern opfern d. h. tödten dursten. Die Sachsen pflegten je
den zehnten Gefangenen durchs Los zum Opfer zu bestimmen. Bei den
Herulern mußten sich die Weiber am Grabe des verstorbenen Gatten
selbst das Leben nehmen, um ihm in das andere Leben, das sie nach dein
Tode glaubten, nachzufolgen; thaten sie das nicht, so waren sie ihr Leben
lang verachtet. Den Abgeschiedenen wurden ihre Waffen, und was ihnen