1905 -
Halle a.S.
: Buchh. des Waisenhauses
- Autor: Johansen, Christian, Alberti, Christian, Sach, August, Keck, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
162. Die Steinkohle.
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der adelige Herr. Sehr häufig dagegen trifft man seine bürgerliche
Schwester, die Steinkohle an, die ihm gleicht wie die Nacht dem Tage.
Wenn sie auch nicht die Kronen der Könige schmückt, so ist
sie doch ein Schatz des Volkes. Die Menschen haben mit der Zeit
so viele Wälder niedergerodet, daß der früher so reiche Holzvorrat
bedenklich auf die Neige geht. Die Wälder können so schnell nicht
wieder wachsen, wie die Hand des Menschen sie abhaut. Da erscheint
die Steinkohle wie ein rettender Engel.
Vor tausend und abertausend Jahren, ehe noch ein menschlicher
Fuß auf der Erde wandelte, wurden die Schätze versenkt, welche nun
die Menschen aus dem Schoße der Erde wühlen. In jener Urzeit
wuchsen riesige Farnkräuter mit dicken, 15 — 20 m hohen Stämmen.
Doch wurden diese und andere Pflanzen durch große Umwälzungen
verschüttet. So entstanden mächtige Pflanzenlager. Durch den Druck
von oben und die Wärme von unten verkohlten und erhärteten diese
Holzmassen allmählich. Was damals im großen geschah, geschieht
noch heute im kleinen mit versunkenen Baumstämmen oder mit ver-
wittertem Moose. Schaue das winzige Torfmoos, wie es sich ausbreitet
auf dem feuchten Moorgrunde. Alljährlich stirbt die untere Lage ab,
und so wächst eine Moosdecke auf der anderen empor. Die unteren
Schichten lagern sich zu einer braunen Erdmasse zusammen und bilden
endlich jenen brennbaren Stoff, den wir „Torf" nennen. Je älter
der Torf wird, desto schwärzer wird er und desto dichter unter dem
Drucke der neu sich bildenden Schichten. —
Die Lagen der Steinkohlen sind meistens nur 1 m dick.
In Amerika und England finden sich die größten Steinkohlen-
lager. Auch Deutschland hat große Kohlenschätze, namentlich in
Sachsen und Schlesien, besonders aber in Westfalen und in der
Rheinprovinz. Ohne die reichen Kohlenlager an der Saar und Ruhr
wäre die Fabriktätigkeit jener Gegenden nie bedeutend geworden.
Nicht bloß zum Heizen benutzt der Mensch die Steinkohle; er
weiß aus ihr auch eine brennbare Luft, das Gas, zu bereiten, das
mit heller Flamme die Nächte auf Erden erleuchtet. In den Sälen,
auf Fluren und Treppen der Paläste wie in den Straßenlaternen und
im niederen Zimmer erglänzen die Gasflammen und machen die Nacht
zum Tage. So gleichen die schwarzen Diamanten noch mehr der
Sonne als die hellen; denn sie geben zugleich Licht und Wärme.
August Wilhelm Grube.
Vaterländisches Lesebuch (Mittelstufe).
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